Prävention
Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Nach Ergebnissen von mindestens fünf großen Beobachtungsstudien steht eine erhöhte Vitamin-E-Zufuhr im Zusammenhang mit einem niedrigeren Risiko für einen Herzinfarkt bzw. mit einer niedrigeren Todesrate durch Herzerkrankungen bei Männern und Frauen. Alle Studie waren prospektive Studie, die die Vitamin-E-Zufuhr in vermutlich gesunden Menschen gemessen hatten, und diesen für eine Anzahl von Jahren folgte, um festzustellen, wie viele von ihnen mit der Diagnose Herzerkrankungen diagnostiziert wurden und wie viele an den Folgen starben. In zwei der Studien hatten Personen, die mehr als 7 mg Alpha-Tocopherol täglich über Lebensmittel zu sich nahmen nur etwa 35% des Risikos, an Herzkrankheiten zu sterben, im Vergleich zu Probanden, die weniger als 3-5 mg am Tag Alpha-Tocopherol zu sich nahmen (16, 17). Zwei weitere große Studien zeigten eine signifikante Verringerung des Risikos von Herzerkrankungen nur bei Frauen und Männern, die täglich eine Ergänzung mit mindestens 100 IE zusätzlichem natürlichen Alpha-Tocopherol (67 mg) einnahmen (18, 19).
In jüngster Zeit haben mehrere Studien festgestellt, dass Alpha-Tocopherol-Spiegel im Blutplasma bzw. in den roten Blutkörperchen im umgekehrten Zusammenhang mit der Anwesenheit und Schwere von Atherosklerose der Halsschlagader (Carotis) stand, welche mittels Ultraschalluntersuchung festgestellt wurde (20-23). Eine randomisierte, placebokontrollierte Interventionsstudie mit 39.876 Frauen, die an der Women's Health Study teilnahmen, kam zum Schluss, dass eine Ergänzung mit 600 IE RRR-Alpha-Tocopherol (400 mg RRR-Alpha-Tocopherol) an jedem zweiten Tag für eine Dauer von zehn Jahre keine Auswirkungen auf die Häufigkeit der verschiedenen Herz-Kreislauf-Ereignisse (Herzinfarkt und Schlaganfall) hatte, jedoch die Todesfälle durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen um 24% senken konnte (24). Die Analyse der Daten aus der Women's Health Study zeigten auch, dass Frauen, die die Vitamin-E-Intervention bekamen, eine 21%ige Verringerung des Risikos von venösen Thromboembolien hatten (25). Die Vorteile der Vitamin-E-Ergänzung zur Prävention chronischer Krankheiten wird im Rahmen eines aktuellen Reviews diskutiert (26). Bislang zeigten Interventionsstudien bei Patienten mit Herzerkrankungen nicht, dass Vitamin-E-Ergänzungen wirksam Herzinfarkt oder Tod verhindern konnten.
Es liegen allerdings einige Mängel im Entwurf der meisten großen Studien zu Vitamin E vor, wie die ausschließliche Untersuchung einer Gabe der synthetischen Form dl-Alpha-Tocopherol, sowie Faktoren wie niedrige oder unregelmässige (24) Dosierung und z.T. eine schlechte Compliance der Probanden sowie Einnahme von Multivitaminpräparaten in einigen Kontrollgruppen, auf welche ein fehlender Erfolg auch zurückführbar sein könnte.
Grauer Star (Katarakte)
Es wird angenommen, dass Grauer Star durch die Oxidation von Protein in der Linse des Auges entsteht. Solche Oxidation von Proteinen kann durch Antioxidantien wie Alpha-Tocopherol verhindert bzw. deutlich verringert werden. Eine Reihe von Beobachtungsstudien haben die Assoziation zwischen Vitamin E und die Häufigkeit und das Ausmaß von Grauem Star untersucht. Die Ergebnisse dieser Studien sind gemischt: einige berichten, dass eine erhöhte Zufuhr von Vitamin E vor der Entwicklung von Katarakten schützen kann, während andere keinen Zusammenhang feststellen konnten (27). Eine placebokontrollierte Interventionsstudie mit 4.629 Männern und Frauen konnte feststellen, dass eine tägliche Ergänzung mit 500 mg des Antioxidans Vitamin C, 400 IE synthetischem Vitamin E (dl-Alpha-Tocopherol-Acetat, entspricht 180 mg RRR-Alpha-Tocopherol) und 15 mg Beta-Carotin keinen Einfluss auf Entwicklung und Fortschreiten von Katarakten im Alter über einen Zeitraum von 7 Jahren hatte (28). Ebenso konnte die Gabe von Antioxidantien (500 mg Vitamin C, 400 IE (als 268 mg RRR-Alpha-Tocopherol) und 15 mg Beta-Carotin) keine Wirkung auf das Fortschreiten der Katarakte während einer 5-Jahres-Interventionsstudie zeigen (29). Eine 4-jährige, randomisierte und placebokontrollierte Studie berichtet, dass eine Ergänzung mit täglich 500 IE natürlichem Vitamin E (335 mg RRR-Alpha-Tocopherol) zu keiner Verringerung der Auftrittshäufigkeit oder des Fortschreitens von Katarakten bei älteren Erwachsenen führte (30). Eine weitere Interventionsstudie stellte fest, dass eine tägliche Ergänzung mit 50 mg synthetischem Alpha-Tocopherol keinen Einfluss auf die Häufigkeit einer nötigen Katarakt-Chirurgie bei männlichen Rauchern hatte (31). Obwohl die Ergebnisse von einigen Beobachtungsstudien nahelegen, dass Vitamin E vor der Kataraktbildung schützen kann, sprechen die Ergebnisse aus klinischen Studien insgesamt nicht für eine präventive Wirkung von Vitamin E bei Katarakten.
Immunsystem
Es hat sich gezeigt, dass Alpha-Tocopherol bestimmte Bereiche der Immunantwort stärken kann, welche sich im Alter bei Menschen verschlechtern. Beispielsweise zeigten ältere Erwachsene, die mehrere Monate lang täglich 200 mg synthetisches Alpha-Tocopherol erhielten (entsprechend 100 mg RRR-Alpha-Tocopherol oder 150 IE RRR-Tocopherol) eine erhöhte Bildung von Antikörpern in Reaktion auf den Hepatitis B-Impfstoff und den Tetanus-Impfstoff (32). Es ist jedoch nicht bekannt, ob diese Stärkung der Immunantwort bei älteren Erwachsenen durch Alpha-Tocopherol auch wirklich eine erhöhte Resistenz gegen Infektionen wie die Grippe (Influenza-Virus) bedeuten (33). Eine randomisierte, placebokontrollierte Studie bei älteren Bewohnern von Pflegeheimen berichtete davon, dass die tägliche Ergänzung mit 200 IE synthetischem Alpha-Tocopherol (äquivalent zu 90 mg RRR-Alpha-Tocopherol) für die Dauer eines Jahres das Risiko für Infektionen der oberen Atemwege deutlich senken konnte, vor allem bei einer Erkältung, aber keine Auswirkungen auf Infektionen der unteren Atemwege (infektiöse Lungenerkrankungen) zeigte (34). Es wird mehr Forschung notwendig sein, um festzustellen, ob eine zusätzliche Gabe von Vitamin E ältere Menschen gegen die Erkältung und andere Infektionen effektiv schützen kann.
Krebs
Von vielen Krebsarten wird angenommen, dass sie sich aus oxidativen Schäden der DNA durch freie Radikale entwickeln. Die Fähigkeit von Alpha-Tocopherol, freie Radikale zu neutralisieren, hat es zum Gegenstand einer Reihe von Studien zur Krebsprävention gemacht. Jedoch konnten mehrere große prospektive Studien keine signifikanten Zusammenhänge zwischen der Alpha-Tocopherol-Aufnahme und der Häufigkeit von Lungen- oder Brustkrebs finden (4). Eine Kohortenstudie von 77.126 Männern und Frauen berichtet, dass die Verwendung einer Vitamin-E-Ergänzung über einen Zeitraum von 10 Jahren das Risiko für Lungenkrebs bei Rauchern sogar erhöhen kann (35). Bis jetzt haben die meisten klinischen Studien keine Auswirkungen einer Vitamin-E-Ergänzung auf das Risiko, an bestimmten Krebsarten zu erkranken festgestellt, mit der Ausnahme eines möglichen Nutzens gegen die Entwicklung von Prostatakrebs. Eine randomisierte, placebokontrollierte Studie mit 39.876 Frauen im Rahmen der Women's Health Study fand heraus, dass eine Ergänzung mit 600 IE RRR-Alpha-Tocopherol (400 mg RRR-Alpha-Tocopherol) jeden zweiten Tag für die Dauer von zehn Jahren keine Auswirkungen auf die allgemeine Häufigkeit von Krebs- und mit krebs assoziierten Todesfällen aufweisen konnte (24). Dies Intervention mit Vitamin E konnte auch keinen Einfluss auf die Häufigkeit von gewebespezifischen Krebsarten, darunter Brust-, Lungen- und Darmkrebserkrankungen, zeigen. Eine aktuell veröffentlichte Meta-Analyse von 12 randomisierten kontrollierten Studien kam zu dem Schluss, dass eine Ergänzung mit Vitamin E nicht im Zusammenhang mit der Inzidenz von Krebserkrankungen im Allgemeinen, der Krebsmortalität oder der Gesamtmortalität steht (36).
Eine Ergänzung mit Vitamin E kann allerdings möglicherweise das Risiko von Prostatakrebs senken. Eine placebokontrollierte Interventionsstudie, die entworfen wurde, um die Wirkung einer Alpha-Tocopherol-Ergänzung auf Lungenkrebs zu erforschen Entwicklung zeigte einer Redikution in der Inzidenz von Prostata-Krebs um 34% bei Rauchern, die täglich eine Ergänzung von 50 mg synthetischem Alpha-Tocopherol (äquivalent zu 25 mg RRR-Alpha-Tocopherol) einnahmen (37). Eine Meta-Analyse, welche die Ergebnisse dieser Studie mit drei weiteren randomisierten kontrollierten Studien zur Vitamin-E-Ergänzung kombinierte, konnte einen Zusammenhang zwischen der Nutzung von Vitamin E mit einem 15% niedrigeren Risiko für Prostata-Krebs finden (36). Eine große randomisierte placebokontrollierte Interventionsstudie, die eine Ergänzung mit Alpha-Tocopherol und Selen allein oder in Kombination verwendete (die SELECT-Studie), wurde vor kurzem gestoppt, da sich keine Hinweise auf Vorteile der Ergänzung bei der Verhütung von Prostatakrebs zeigten (38, 39). Nach durchschnittlichen 5,5 Jahren nachträglicher Beobachtungszeit in der SELECT-Studie, hatten die Teilnehmer, die nur Vitamin E (400 IE / Tag von all-rac-Alpha-Tocopherol) allein einnahmen, ein höheres Risiko für Prostata-Krebs, der Anstieg war jedoch nicht statistisch signifikant (76).
Wie auch bei den Studien zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen bereits erwähnt, ist auch hier jedoch zu bedenken, dass entsprechend dieselben Probleme in den Studiendesigns auch hier relativ verbreitet waren, und daher keine abschließende Beurteilung möglich ist.