Mangel

Pellagra

Das Spätstadium der schweren Niacinmangels nennt sich Pellagra. Erste Fälle von Pellagra wurden nach dem weit verbreiteten Anbau von Mais in Europa im Jahr 1700 bekannt (1). Die Krankheit stand im Allgemeinen im Zusammenhang mit den ärmeren sozialen Schichten, deren Ernährung auf Getreiden wie Mais und Hirse basierte. Pellagra war auch im Süden der Vereinigten Staaten im frühen 19. Jahrhundert verbreitet, wo die Einkommen niedrig waren und Produkte aus Mais ein wichtiges Grundnahrungsmittel darstellte (5). Interessanterweise war Pellagra jedoch nicht in Mexiko beobachtet, wo der Mais ebenfalls ein wichtiges Grundnahrungsmittel der Ernährung bei einem Grossteil der Bevölkerung war, und auch Armut herrschte. In der Tat enthält Mais sogar beträchtliche Mengen von Niacin, aber ist in gebundener Form, welche keinen Ernährungsmängel beim Menschen ausgleichen kann. Bei der traditionellen Zubereitung von Mais-Tortillas in Mexiko findet ein Einweichen des Mais in einer Kalklösung (Calciumoxid) vor dem Kochen statt. Das Kochen der Mais in einer alkalischen Lösung führt zur Freigabe des gebundenen Niacins, wodurch dessen Bioverfügbarkeit erhöht wird (6).

Die häufigsten Symptome des Niacinmangels betreffen Haut, Verdauungstrakt und das Nervensystem (2). Die Symptome der Pellagra werden auch als die vier D's bezeichnet: Dermatitis, Durchfall, Demenz und Tod (Death). Die Haut entwickelt bei Pellagra einen dicken, schuppigen, dunkel pigmentierten Ausschlag, der sich symmetrisch in den dem Sonnenlicht ausgesetzten Bereichen ausbreitet. Das Wort "Pellagra" stammt vom italienischen Ausdruck für raue Haut. Symptome des Verdauungssystems können eine leuchtend rote Zunge, Erbrechen und Durchfall sein. Die neurologischen Symptome sind Kopfschmerzen, Apathie, Müdigkeit, Depression, Desorientierung und Gedächtnisverlust. Ohne Behandlung endet Pellagra letztendlich tödlich (3).

Wechselwirkung mit Tryptophan

Zusätzlich zur Synthese aus dem Niacin aus der Nahrung kann NAD auch in der Leber aus der Aminosäure Tryptophan synthetisiert werden. Die Fähigkeit zur Synthese ist zwischen Mäusen und Menschen stark unterschiedlich. Die Synthese von Niacin aus Tryptophan hängt auch von Enzymen ab, die Vitamin B6 und Riboflavin benötigen, sowie ein Enzym mit Häm (Eisen). Im Durchschnitt kann durch Einnahme von 60 mg Tryptophan 1 mg Niacin synthetisiert werden. Also sind 60 mg Tryptophan als 1 mg Niacin-Äquivalent (NE) zu betrachten. Allerdings zeigten Studien der Pellagra in den südlichen USA im frühen 20. Jahrhundert, dass die Ernährung vieler Menschen, die von Pellagra betroffen waren, eigentlich genug Tryptophan enthielt, um die Mangelerscheinung zu verhindern (3). Dies widerspricht der Vorstellung, dass 60 mg Tryptophan in der Nahrung äquivalent zu 1 mg Niacin sind. Es konnte insbesondere bei einer Studie an jungen Männern festgestellt werden, dass der Tryptophangehalt der Nahrung keinen Einfluss auf die Abnahme des Niacingehalts der roten Blutkörperchen Niacin hatte, die durch eine niedrige ernährungsbedingte Niacinaufnahme entstanden waren (7).

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Ursachen des Niacinmangels

Ein Niacinmangel oder die akute Mangelerscheinung Pellagra kann aus einer unzureichenden Aufnahme von Niacin oder Tryptophan aus der Nahrung entstehen. Wie bereits erwähnt, können auch Mangelkrankheiten zur Entwicklung eines Niacinmangels beitragen. Beispielsweise entwickeln Patienten mit der Hartnup-Krankheit, einer Erbkrankheit, welche zur fehlerhaften Absorption von Tryptophan führt, auch Pellagra (2). Das Karzinoid-Syndrom, ein Syndrom, dass durch erhöhte Ausschüttung von Serotonin und anderen Katecholaminen durch karzinoide Tumore verursacht wird, kann auch zur Entwicklung von Pellagra durch eine erhöhte Nutzung von Tryptophan zur Serotoninsynthese führen, weil dann weniger Tryptophan für die Niacinsynthese zur Verfügung steht. Weiterhin kann eine ausgedehnte Behandlung mit dem Anti-Tuberkulose-Medikament Isoniazid zu einem Niacinmangel führen (8).