Nahrungsmittel-Allergien II

Häufigkeit von Allergien

In der Schweiz stieg die Anzahl von Heuschnupfenerkrankten von 0,8 Prozent im Jahre 1926 auf 17,3 Prozent im Jahr 1999. Die Häufigkeit, im Laufe ihres Lebens eine Neurodermitis zu entwickeln, lag bei dänischen Kindern, die 1960 geboren wurden, bei 3,2 Prozent. 1970 geborene Kinder hatten bereits in 10 Prozent der Fälle Symptome einer Neurodermitis. In einer Studie aus Großbritannien wurden auch Hinweise gefunden, dass die Zahl der an Asthma Erkrankten zunimmt (1973 waren es 4 Prozent im Vergleich zu 9 Prozent 1988).
Neurodermitiskinder haben in etwa einem Drittel der Fälle eine zusätzliche Nahrungsmittelallergie, die die Symptome der Neurodermitis beeinflussen kann, jedoch meist nicht allein für die Neurodermitis verantwortlich ist.

Wie macht sich eine Allergie bemerkbar?

Die meisten Symptome allergischer Reaktionen machen sich an Haut-und Schleimhäuten sowie am Magen-Darmtrakt bemerkbar. Grundsätzlich erfolgt bei einem Erstkontakt mit einem möglichen Allergen keine allergische Reaktion. Hierzu ist mindestens ein zweiter Kontakt mit dem Allergen notwendig.Oft dauert es aber Monate oder Jahre bis der Körper mit einer immunologisch bedingten Überempfindlichkeitsreaktion reagiert. So ist beispielsweise bei medizinischem Pflegepersonal bekannt, dass es oft bis zu zwölf Jahre dauert, bis die Betroffenen störende Reaktionen an Haut- und Schleimhäuten bemerken.Gehört man allerdings zu einer so genannten Risikogruppe - dazu gehören besonders Menschen mit atopischen Erkrankungen (Neurodermitis, Heuschnupfen, Asthma) - kann eine allergische Reaktion nach wesentlich kürzerer Zeit auftreten.

Grundsätzlich sollten die Symptome in zeitlichem Zusammenhang mit dem Allergenkontakt stehen. Dabei entwickeln sich Symptome wie Heuschnupfen, Asthma oder Magen-Darmbeschwerden meist schneller nach Allergenkontakt (innerhalb von Minuten bis Stunden) als Symptome an der Haut.
Bei zusätzlich bereits vorliegenden Hauterkrankungen, insbesondere der Neurodermitis treten Verschlechterungen des Hautbildes meist zwischen 4 und 24 Stunden später ein.
Falls tatsächlich eine Allergie besteht, sollten die Symptome jedes Mal nach Allergenkontakt auftreten. Ist dies nicht der Fall, ist eher davon auszugehen, dass keine Allergie vorliegt, sondern andere Ursachen angenommen werden müssen.
Allerdings können gerade Nahrungsmittelallergien bei Kindern mit zunehmenden Alter auch wieder verschwinden.

Welche Erkrankungen verursachen ähnliche Beschwerden?

Nicht jede Reaktion an der Haut, den Atemwegen oder dem Magen-Darmtrakt muss mit einer allergischen Reaktion zusammenhängen. Gerade in den vergangenen Jahren, möglicherweise durch vermehrte Aufmerksamkeit durch die Massenmedien bedingt, werden zu häufig "Allergien" für verschiedenste Beschwerden verantwortlich gemacht.

Hinsichtlich Nahrungsmittelallergien gibt es Untersuchungen, die zeigen, dass bis zu 40 Prozent der Bevölkerung in westlichen Ländern annehmen, an einer Allergie zu leiden. Ein Teil dieser Menschen wurde daraufhin ausführlich allergologisch untersucht,und nur bei maximal 2,4 Prozent dieser Menschen konnten die Beschwerden dann tatsächlich auf eine Allergie zurückgeführt werden.

Welche anderen medizinischen Ursachen gibt es?

Bei Nahrungsmittelallergien müssen von den immunologisch bedingten Unverträglichkeiten die nicht immunologisch bedingten Unverträglichkeiten (zum Beispiel durch Enzymmangel) unterschieden werden. Daneben gibt es auch Erkrankungen, die das Organ an sich betreffen (beispielsweise Darmerkrankungen wie M. Crohn). Bei auftretenden Beschwerden am Magendarmtrakt muss beispielsweise auch an folgende Erkrankungen gedacht werden:

  • Lebensmittelvergiftungen beispielsweise durch Bakterien
  • Verdauungsprobleme durch Enzymdefekte (z. B. Laktoseintoleranz), Bauchspeicheldrüsenschwäche (Fettintoleranz) oder "Bakterielle Fehlbesiedlung" mit der Folge von Blähungen
  • Pseudoallergien: Das sind Reaktionen des Körpers, die wie eine allergische Reaktion aussehen können, aber nicht immunologisch bedingt sind. Dabei werden meistens kleinere Mengen ganz gut vertragen. Typisches Beispiel: Einige Erdbeeren werden vertragen, aber viele Erdbeeren nicht. Erdbeeren, wie aber auch Tomaten und Weine gehören zu den Nahrungs- und Genussmitteln, die direkt und unspezifisch Histamin - ein Stoff, der für viele Reaktionen bei Unverträglichkeitsreaktionen verantwortlich ist und von bestimmten Hautzellen, den so genannten Mastzellen ausgeschüttet werden kann - aus diesen Zellen zur Ausschüttung bringen. Die Schwere der Symptome ist dabei auch im Gegensatz zu allergischen Reaktionen Mengen abhängig. Andere Nahrungsmittel enthalten wiederum selbst Histamin (Sauerkraut) oder ähnliche wirkende Stoffe (Tyramin in Käsesorten und Schokolade) und Serotonin in Bananen. Manchmal können auch Nahrungsmittelzusätze zu pseudoallergischen Reaktionen führen (Benzoesäure, Tatrazin, Salizylate, Glutamat u.a.). Pseudoallergische Reaktionen können jedoch nicht mit den üblichen Testmethoden der Allergologie nachgewiesen werden, sondern nur in aufwendigen, meist stationär durchzuführenden Provokationstestungen, falls vorherige Eliminationsdiäten (=Auslassdiät des verdächtigten Nahrungsmittels) nicht zum Erfolg geführt haben. Pseudoallergische Reaktionen können bereits nach dem ersten Allergenkontakt auftreten.
  • Daneben muss auch bei entsprechenden Symptomen an chronisch entzündliche Erkrankungen des Darmtraktes gedacht werden (Morbus Crohn, Colitis ulcerosa, einheimische Sprue=Zöliakie, Eosinophile Gastroenteritis u.a.).
  • Infektiöse Erkrankungen können ebenfalls Ursache von Magen- Darmbeschwerden sein (Parasiten, Bakterien).
  • Letztlich kommen auch Darmtumoren und andere seltenere Ursachen in Frage.
  • Magen-Darmbeschwerden können aber auch psychische Ursachen haben, wie dies von vielen Medizinern beim so genannten Reizdarmsyndrom angenommen wird.

Im Einzelfall kann aufgrund der vielen zu bedenkenden Ursachen eine umfangreiche Diagnostik notwendig sein, um die Ursache von Magen-Darmbeschwerden abzuklären.

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Mögliche Symptome einer Nahrungsmittel Allergie

Betroffenes Organ

Symptome

Orales AllergiesyndromLippenschwellung, Jucken der Mund-/Rachenschleimhaut, Larynxschwellung (innere Schwellung der Luftröhre)
Die Symptome reichen von leichtem Kribbeln an der Mundschleimhaut bis hin zur Atemnot
Oberer Magen-DarmtraktÜbelkeit und Erbrechen, Schmerzen unterhalb des Brustbeines
Unterer Magen-DarmtraktBlähungen, Bauchkrämpfe, Durchfall oder Verstopfung, Entzündung der Schleimhaut des Enddarms, Analinsuffizienz

Symptome außerhalb des Magen-Darmtrakts

HautEkzeme, Nesselsucht (Urticaria)
AugenEntzündung der Augenbindehäute
AtemtraktWässriger Fließschnupfen (Rhinitis), Asthma
KreislaufsystemBlutdruckabfall, Herzrasen, in seltenen Fällen lebensbedrohlicher Schock möglich
NervensystemEvtl. Kopfschmerzen, vegetative Symptome
GelenkeZusammenhang mit rheumatoider Arthritis wird in einigen Fällen diskutiert

Die häufigsten Nahrungsmittelallergene bei Kindern

In absteigender Reihenfolge: Hühnerei, Kuhmilch, Soja, Weizen, Fisch und Nüsse (gilt für Deutschland; in den USA beispielsweise gibt es häufiger Erdnuss- oder Schalentierallergien).Meist reagieren Kinder nur auf ein oder zwei Nahrungsmittelallergene.Bis zum Schuleintritt bilden sich viele Allergien wieder zurück!

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Was sind Kreuzallergien?

Menschen, die unter Heuschnupfen leiden, haben häufig so genannte Kreuzallergien ("pollenassoziierte Nahrungsmittelallergie"). Das bedeutet, dass sie auf bestimmte Nahrungsmittel reagieren, die von ihrer Allergenbeschaffenheit ähnlich den nicht vertragenen Pollenallergen sind.

Typischerweise vertragen dabei Menschen mit einer Allergie gegen Birkenpollen Steinobst schlecht. Die meisten leiden dann unter dem so genannten "Oralen Allergiesyndrom (OAS; oral = um den Mund herum)". Es kommt dabei zu Kribbeln im Mundbereich, manchmal sogar auch zu Atemnot und Kreislaufproblemen.

Ähnliche Kreuzallergien gibt es in Zusammenhang mit Sellerie ("Sellerie-Beifuß- Gewürz-Allergie") oder in Verbindung mit einer Latexallergie ("Latex-Kiwi-Bananen- Allergie").
Es sind häufiger Erwachsene als Kinder von den Symptomen durch eine Kreuzallergie betroffen.

Menschen mit einer Neurodermitis können aber nicht nur auf die kreuzreagierenden Nahrungsmittel reagieren, sondern auch in der Pollensaison mit Hautreaktionen reagieren. Meist sind dann die freigetragenen Körperstellen (Gesicht, Arme, Dekolleté) stärker betroffen.

Faktoren, die allergische Reaktionen verstärken

Bei manchen Menschen wird eine allergische Reaktion durch sportliche Aktivitäten verschlimmert. Insbesondere dann, wenn die Allergenaufnahme etwa zwei bis vier Stunden vor der sportlichen Aktivität erfolgte. Typische Beschwerden sind eine Nesselsucht (=Urticaria), Schwellung der Rachenschleimhaut bis hin zum bedrohlichen Kreislaufschock.

Kann Zucker für eine Allergie verantwortlich sein?

Zucker besteht aus Molekülen (z. B. Glucose), die zu klein sind, um als Allergen zu wirken und kann daher keine allergischen Symptome auslösen. Allerdings kann es sein, dass in Verbindung mit Zucker Nahrungsmittelbestandteile (z. B. Haselnüsse in Schokolade) aufgenommen werden, die wiederum allergische Symptome auslösen können. Zucker muss daher aus allergologischer Sicht nicht gemieden werden.

Dennoch ist ausreichend bekannt, dass zuviel Zucker andere Schäden bei Kindern bewirken kann (Zahnschäden, Übergewicht).

Nahrungsmittel, die fast nie allergische Reaktionen auslösen

Dazu gehören beispielsweise:

  • Grundnahrungsmittel: Polierter Reis, Reiswaffeln, Kartoffeln
  • Tierische Nahrungsmittel: Lamm, Pute
  • Gemüse: Blumenkohl, Brokkoli, Gurke
  • Obst: Birne, Banane
  • Fette: Raffiniertes Sonnenblumenöl, milchfreie Margarine
  • Gewürze: Salz, Zucker
  • Getränke: Mineralwasser
  • gegebenfalls hochgradig hydrolysierte Säuglingsnahrung

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Gibt es eindeutige Labortests?

Die Nahrungsmittelallergie ist derzeitig nicht eindeutig mit Labortests nachweisbar. Häufig kann nur eine Provokation mit dem vermuteten Nahrungsmitteln Aufschluss geben. Der "goldene Standard" ist dabei der Doppelblind- und placebokontrollierte, orale (oral = durch den Mund aufgenommen) Provokationstest. Das bedeutet, dass weder Patient noch Arzt wissen, welches Nahrungsmittel zu welchem Zeitpunkt eingenommen wird. Lediglich die Ernährungsfachkraft protokolliert, welches Nahrungsmittel wann gegeben wird, nachdem der Arzt die Bestandteile der Provokationstestung, aber nicht die Reihenfolge festgelegt hat.

Die Nahrungsmittel werden verkapselt oder geschmacklich neutral, beispielsweise in Johannisbeersaft, verabreicht und zwischenzeitlich werden auch Kapseln gegeben, in denen kein Nahrungsmittel enthalten ist ("Placebo"). Erst am Ende wird das Protokoll geöffnet und die Beschwerden mit den eingenommenen Nahrungsmitteln verglichen. Es ist klar, dass diese Testungen sehr zeitaufwändig sind und nur unter stationären Bedingungen durchgeführt werden können.

Alternative Ernährung bei Neurodermitis?

Welche Aspekte sind bei alternativen Ernährungsformen und Neurodermitis zu bedenken?

  • Aus wissenschaftlicher Sicht gibt es keine "Pauschaldiäten" zur Heilung der Neurodermitis. Nahrungsmittel sollten nur gemieden werden, wenn ein klarer Zusammenhang zwischen bestimmten Nahrungsmittelsubstanzen und den Symptomen durch allergologische Diagnostik nachgewiesen werden konnte.
  • Je mehr Nahrungsmittel aus der Kost herausgelassen werden, desto einseitiger ist die Ernährung, und umso größer ist das Risiko für eine mangelhafte Nährstoff- und Energieversorgung.
  • Auch naturbelassene Nahrung (Rohkostdiäten) kann allergen wirken. Bei den Kreuzallergien (siehe dort) werden beispielsweise gerade gekochte im Gegensatz zu den naturbelassenen Lebensmitteln meist gut vertragen. Typischerweise vertragen die Betroffenen rohe Äpfel (besonders grüne Äpfel, z. B. Granny Smith) nicht, gekochter Apfelmus von diesen Äpfeln wird jedoch vertragen.
  • Ein stark eingeschränkter Speiseplan kann einen größeren Leidensdruck verursachen als die Erkrankung selbst.
  • Auch in "Neurodermitiker"-Diäten können Nahrungsmittel enthalten sein, die nicht vertragen werden.
  • Gerade bei Kindern sollte auf eine ausgewogene Ernährung geachtet werden. Im Zweifelsfall sollte nach allergologischer Diagnostik der Rat des Arztes oder einer erfahrenen Ernährungsfachkraft eingeholt werden.

Vorbeugung

Vorbeugemaßnahmen werden derzeit nur bei Kindern mit erhöhtem Allergierisiko empfohlen, beispielsweise wenn beide Elternteile bereits Allergiker sind.

Schwangerschaft und nach der Geburt:

  • Nicht Rauchen (gilt auch für Nicht-Risikokinder)
  • Keine Haustiere
  • Hausstaubmilben-Sanierungsmaßnahmen

Neugeborenen-Periode:

  • Reines Stillen, Keine Fremdeiweiße
  • Diätetische Vorsichtsmaßnahmen bei der stillenden Mutter (keine Eier, kein Fisch, keine Erdnüsse, eingeschränkter Kuhmilchkonsum)
  • Kein Passivrauchen
  • Kontakt zu Haustieren, soweit möglich, vermeiden

Säuglingsperiode:

  • ausschließliches Stillen bis 6. Lebensmonat
  • Keine Beikost bis 6. Lebensmonat bei ausschließlichem Stillen
  • Keine zusätzliche Gabe von Säuglingsnahrung auf Kuhmilch- oder Sojabasis (außer H.A.-Milchen)
  • Kein Passivrauchen
  • Kontakt zu Haustieren, soweit wie möglich, vermeiden

Falls Stillen nicht oder nur eingeschränkt möglich ist:

  • Säuglinge trotzdem anlegen wegen der hohen Konzentration von schützenden IgA-Antikörpern in der Vormilch (Kolostrum)
  • Pasteurisierte Frauenmilch
  • Tee mit 10 bis 20 Prozent Maltodextrin Muttermilch-Ersatzpräparate (Hydrolysat-Nahrung)

Bei nachgewiesener Kuhmilcheiweißallergie dürfen nur Präparate mit sehr hohem Hydrolysierungsgrad (Eiweiße müssen vollständig in Aminosäuren zerlegt worden sein, damit sie nicht mehr als Allergen wirken können) gegeben werden.

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Beratung ist wichtig!

Bevor für Eltern und Kinder aufwendige, möglicherweise nicht notwendige, Diäten begonnen werden, sollte die Diagnose durch einen allergologisch erfahrenen Arzt gesichert werden.Kann der Verdacht auf eine allergische Reaktion gegen ein bestimmtes Nahrungsmittel bestätigt werden, sollte eine diätetische Beratung erfolgen, die durch ärztliche Beratung, aber auch durch eine Ernährungsfachkraft, die Erfahrung in der Beratung von Menschen mit Neurodermitis hat, hervorragend geleistet werden kann.

Warum ist im Fall einer nachgewiesenen Allergie eine diätetische Beratung notwendig?

Wird zum Beispiel eine Hühnereiweißallergie nachgewiesen, muss man zunächst wissen, bei welchen Zutaten Hühnereiweis überhaupt häufig verwendet wird. Folgende Begriffe können beispielsweise auf die Verwendung von Hühnereiweis hinweisen:

  • Protein,
  • Fremdprotein, Ovo-,
  • Stabilisator,
  • Emulgator,
  • Lecithin (E322)

Es bestehen aber auch leider Lücken in der Kennzeichnungsverordnung für Lebensmittel:

  • Fertigprodukte müssen nicht vollständig deklariert werden (Beispiel: Eiernudeln in Suppen)
  • In Schokolade darf bis zu 5 Prozent Ei ohne Kennzeichnung verwandt werden
  • Glänzendes Gebäck kann mit Hühnereiweiß glasiert sein
  • Hühnereiweiß wird auch zum Klären von Flüssigkeiten wie Aspik, Brühe, Fruchtsäfte und Wein eingesetzt und nicht deklariert