Frühlingszeit ist Zeckenzeit

Teil II: Borreliose

Das gute Wetter und vermehrte Aktivitäten im Freien sorgten im vergangenen Jahr für eine hohe Zahl an Zeckenstichen. In der Folge stiegen nicht nur die FSME-Fallzahlen, auch die Zahl der Borreliose-Erkrankungen war im vergangenen Jahr besonders hoch.

Borreliose ist nicht allgemein meldepflichtig. Meldedaten liegen nur für einige Bundesländer vor, so aus Bayern, Sachsen-Anhalt, Brandenburg, die von hohen Fallzahlen berichten. Da auch in diesem Jahr bereits Temperaturen herrschten, bei denen Zecken aktiv sind, gab es erste Meldungen z. B. aus Bayern mit 159 Erkrankungen. (1)

Hohe Prävalenz von Antikörpern

Borrelien kommen überall in Deutschland vor. Die Tatsache, dass viele Menschen im Laufe ihres Lebens mit Borrelien in Kontakt kommen, zeigt sich in der hohen Prävalenz von Antikörpern gegen Borrelia burgdorferi in der Bevölkerung, auch bei klinisch Gesunden. Der Prozentsatz von Borrelien-Antikörpern im Serum steigt mit zunehmendem Alter an und erreicht in der Gruppe der 14- bis 17-jährigen bereits 7 Prozent. Bei Erwachsenen steigt der Prozentsatz der Borrelien-Antikörper weiter an. Bei den 70- bis 79-jährigen sind 24,5 Prozent der Männer und 16,4 Prozent der Frauen seropositiv. (2)

Umgang mit Zeckenstichen in der Praxis

Die hohe mediale Aufmerksamkeit für durch Zecken übertragene Erkrankungen und die entstehenden Sorgen führen u. a. dazu, dass nicht selten Menschen in die ärztliche Praxis kommen, mit der Bitte, eine festgesogene Zecke zu entfernen.

Sinnvoller wäre es, wenn Betroffene die Zecken sofort selbst herausziehen, denn das schnelle Entfernen von Zecken kann das Risiko einer Übertragung von Borrelien erheblich senken. Zwar dauert es Stunden, bevor Borrelien in die Stichwunde gelangen, doch steigt das Infektionsrisiko mit der Saugzeit, laut Robert Koch-Institut (RKI) nach mehr als 12 Stunden. Entfernt man die Zecke frühzeitig, ist das Übertragungsrisiko daher sehr gering (3).

Verbleibt der Stechapparat („Kopf") der Zecke in der Haut, ist dies hinsichtlich einer Übertragung von Borrelien unbedenklich (4). Er muss also nicht entfernt werden.

Eine prophylaktische Antibiotikagabe wird nicht empfohlen, ebenso wenig wie eine serologische Kontrolle oder eine Untersuchung der Zecke auf Borrelien – was manchmal von Patienten gewünscht wird. (5)

Begründung: Nur ein kleiner Teil der mit Borrelien infizierten Menschen erkranken auch, weshalb von einer vorbeugenden Antibiose mit den entsprechenden Nebenwirkungen abgeraten wird. Ein positiver Antikörpernachweis wäre nicht beweisend für eine bestehende Borreliose, denn häufig ist das Vorhandensein von Borrelien-spezifischen Antikörpern Ausdruck einer früheren Infektion. Außerdem gibt es beim Erythema migrans in den ersten Wochen noch eine „serodiagnostische Lücke!“. Die Untersuchung der aus der Haut entfernten Zecke auf Borrelien ist nicht sinnvoll, da bei positivem Nachweis nicht sicher ist, ob die Borrelien überhaupt in die Haut übertragen wurden, und ob sie im Falle der Übertragung zu einer Erkrankung führen.

Patienten über Symptome aufklären

Da sich Borreliose in 80 bis 90 Prozent als Hauterkrankung, dem Erythema migrans (Wanderröte) manifestiert, sollen Patienten über die notwendige Nachbeobachtung der Einstichstelle in den folgenden 6 Wochen informiert werden. Dabei sollte darauf hingewiesen werden, dass die unmittelbar nach dem Stich auftretende kleine Rötung um die Einstichstelle, die einige Tage persistieren kann, eine normale Reaktion auf den Zeckenspeichel ist und kein Zeichen für eine Borreliose. Denn nicht selten treibt die Beobachtung dieser Rötung Betroffene in die Praxis.

Bei der weniger häufigen Verbreitung der Borrelien über den Blutweg kann sich die Infektion – auch ohne Rötung der Haut – durch ein grippeartiges Krankheitsgefühl ohne Beschwerden in den Atemwegen bemerkbar machen.

Ein erneuter Arztbesuch ist nur bei Auftreten entsprechender Symptome notwendig.

Merkmale des Erythema migrans laut Leitlinie

Ein Erythema migrans kann in Ausdehnung, Farbintensität und Dauer stark variieren. Für die Diagnose wird laut Leitlinie Kutane Lyme Borreliose als Richtwert ein Durchmesser des Erythems von mindestens 5 cm angegeben. Klinisch eindeutig ist ein randbetontes Erythem mit zentrifugaler Ausbreitung um den Zeckenstich herum.

    Typische Merkmale des solitären Erythema migrans sind

    • ein freies Intervall zwischen Zeckenstich und Beginn des Erythems (von 3 Tagen bis zu mehreren Wochen),
    • ein randbetontes, nicht erhabenes Erythem,
    • mit mindestens 5 cm Durchmesser,
    • eine zunehmende zentrifugale Ausbreitung des Erythems und
    • eine sichtbare Einstichstelle im Zentrum der Rötung.

      Beispiele für klinische Varianten des Erythema migrans sind der Leitlinie Kutane Lyme Borreliose (4) dargestellt. Atypische Erscheinungsbilder sind nicht selten. Patienten mit atypischen Erythemen sollten zur Abklärung an einen Dermatologen überwiesen werden.

      Vorgehen bei einem Erythema migrans

      Liegt ein typisches Erythema migrans vor (Blickdiagnose), soll ohne weitere   labordiagnostische Absicherung sofort mit der antibiotischen Therapie begonnen werden. Für atypische Erytheme ist eine weitere Diagnostik erforderlich. (6)

      Aktualisierte Leitlinie Neuroborreliose

      Unter der Federführung der Deutschen Gesellschaft für Neurologie erschien im April 2018 die S3-Leitlinie Neuroborreliose. Darin werden aktualisierte Empfehlungen zur antibiotischen Therapie ausgesprochen. Zudem wurde die Gültigkeit der Leitlinie auf die Diagnostik und Behandlung der Neuroborreliose bei Kindern erweitert. (2)

      Und besonders interessant: Die Leitlinienautoren widersprechen der Theorie chronischer Spätfolgen und damit dem Sinn einer antibiotischen Langzeitbehandlung.

      „Für eine Langzeitbehandlung der Neuroborreliose mit Antibiotika über mehr als drei Wochen, wie sie von manchen Ärzten durchgeführt wird, gibt es keine wissenschaftliche Grundlage. Sie birgt aber ein großes Risiko für Nebenwirkungen“, betont Professor Sebastian Rauer, einer der beiden Leitlinien-Koordinatoren. (6)


      Erstellt am 4.4.2019

      Quellen:

      1. Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit: Meldepflichtige Infektionserkrankungen; Borreliose, Stand: 18.3.2019
      2. Rauer S., Kastenbauer S. et al., Neuroborreliose, S3-Leitlinie, 2018; in: Deutsche Gesellschaft für Neurologie (Hrsg.), Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. Online: www.dgn.org/leitlinien
      3. Robert Koch-Institut (RKI): Antworten auf häufig gestellte Fragen zu Borreliose (Stand: 14.2.2018)
      4. Deutsche Dermatologische Gesellschaft: Leitlinie Kutane Lyme Borreliose; AWMF-Register Nr.013/044, Klasse: S2k; gültig bis 31.10.2020
        Darin: Anhang 6 für Laien: Patienten-Information nach Zeckenstich
      5. Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit: Die Lyme-Borreliose, 8. Zeckenstich
        www.lgl.bayern.de/gesundheit/infektionsschutz/infektionskrankheiten_a_z/borreliose/lyme_zeckenstich.htm
      6. Deutsche Gesellschaft für Neurologie: Leitlinie zur Neuroborreliose kann in Kraft treten; Pressemitteilung vom 19.3.2018