Juckreiz bei Neurodermitis
Wie kommt es zum Juckreiz?
Juckreiz ist ein Alarmsignal der Haut auf eine veränderte äußere oder innere Situation. Normalerweise ist Juckreiz sinnvoll. So löst beispielsweise eine Fliege auf der Haut Juckreiz aus. Der Reiz auf der Haut lässt die Fliege automatisch mit einer Körperbewegung verscheuchen. Eine Juckreizempfindung wird durch verschiedene Einflüsse verursacht, zu denen auch psychische Faktoren gehören. Viele kennen die Situation, wenn die Haut allein deshalb juckt, weil über Juckreiz gesprochen wird.
Alle Menschen, die an Neurodermitis leiden, wissen, dass der Juckreiz eine unangenehme Empfindung unterschiedlicher Stärke ist und manchmal in regelrechte Juckreizkrisen mündet.
Der Hautarzt unterscheidet einen örtlichen (lokalisierten), einen eher feinen (epikritischen) und einen generalisierten, sehr unangenehmen brennenden (protopathischen) Juckreiz.
Juckreiz wird hauptsächlich durch vier Mechanismen ausgelöst, die teilweise ineinander greifen oder sich gegenseitig beeinflussen können:
- Freisetzung von juckreizauslösenden Gewebestoffen (zum Beispiel Histamin) aus den Abwehrzellen der Haut (zum Beispiel Mastzellen)
- Freisetzung von juckreizauslösenden und Entzündungen verursachenden Eiweißbestandteilen (proteolytische Enzyme); beispielsweise aus den so genannten Fresszellen (Phagozyten)
- Direkte Wirkung auf Nervenendigungen (nervale Rezeptoren) und damit Ausschüttung von Nervenbotenstoffen (unter anderem Neuropeptide)
- Juckreizstimulation im Gehirn.
Medizinisch gesehen handelt es sich beim Juckreiz um einen Reflex: Ein Reiz in oder auf der Haut löst Kratzen aus (Kratzreflex). Man kann versuchen, diesen Reflex bewusst zu kontrollieren, zum Beispiel durch starke Konzentration oder Ablenkung.
Nach dem Kratzen ist die Haut gereizt. Da bei Neurodermitis eine Entzündung der Haut über die Erregung von Nervenendigungen erneuten Juckreiz auslösen kann, kommt es leicht zu einem Teufelskreis aus Kratzen, erneutem Juckreiz und noch stärkerem Kratzen. Zudem kratzen sich viele Betroffene auch ohne Juckreiz. Der Moment, in dem ein Mensch mit Neurodermitis auf Juckreiz mit Kratzen reagiert (auch Kratzschwelle genannt), ist individuell verschieden und von der emotionalen Situation sowie der aktuellen körperlichen Verfassung der Betroffenen abhängig.
Die Kratzschwelle wird unter anderem durch folgende äußere, meist beeinflussbare oder vermeidbare Faktoren beeinflusst:
- Stress und psychische Spannungen
- Schweiß aufgrund von Erregung, zu hoher Raumtemperatur, Sport, körperlicher Arbeit, Sauna, unangemessener, enger, warmer oder hautreizender Kleidung; zu häufiges und/oder zu warmes Baden/Duschen
- Gefäßerweiternde Nahrungs- und Genussmittel: heiße Getränke, heiße und scharf gewürzte Speisen, eventuell Zitrusfrüchte
- Kontakt mit Allergenen: Nahrungs- und Genussmittel, Textilien, Inhalationsallergene (Pollen), Hausstaub, Tierhaare, Medikamente, Putzmittel, Kosmetika u. a.
- Zustand der Hautoberfläche (trockene Haut löst leicht Juckreiz aus).
Die Bedeutung der einzelnen Einflussfaktoren ist bei jedem Menschen unterschiedlichund kann auch mit der Zeit wechseln. So kann Schwitzen in trockener Umgebung als sehr unangenehm empfunden werden, wogegen die feuchte Hitze in tropischem, sehr feuchtem Klima als angenehm empfunden wird!
Juckreiz löst einen Kratzimpuls aus. Dies hat zur Folge:
- die betroffene Hautstelle wird durch Kratzen geschädigt (aufgekratzt);
- die Kratzschwelle wird durch die Entzündungsreaktion gesenkt, das heißt, die Haut reagiert empfindlicher auf einen Juckreiz und führt zu weiterem Juckreiz und Kratzen;
- die aufgekratzte Hautstelle heilt mit Schuppung ab, die Schuppen lösen wiederum neuen Juckreiz aus;
- die geschädigte Haut ist anfälliger gegenüber Hautinfektionen (Bakterien, Pilze, Viren) und kann sich zusätzlich entzünden;
- durch das ständige Kratzen vergröbert sich das Hautrelief, die Hautfelderung (Lichenifikation) tritt stärker hervor.
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Was lindert den Juckreiz?
Juckreiz ist ein Körpersignal, das zum Kratzen führt, wenn sich der Betroffene nicht ablenkt oder bewusst konzentriert. Juckreiz selbst kann durch physikalische Maßnahmen, zum Beispiel Kälteanwendung, durch Einreiben mit Cremes und Salben sowie durch Einnahme von Medikamenten gelindert werden.
Kälte oder Wärme (bei Temperaturen über 40 Grad Celsius) lösen einen Schmerzreiz aus und verhindern oder überdecken so den Juckreiz. Dabei ist Kälte eindeutig günstiger als Wärme, da sich der Juckreiz im Anschluss an die Wärmezufuhr verstärken kann. Kälte hingegen bremst Entzündungsvorgänge.
Ursache des Juckreizes bei Neurodermitis ist die Entzündung der Haut, die behandelt werden muss, wenn der Juckreiz gemildert werden soll.
Es gibt zahlreiche Mittel, die juckreizlindernd wirken:
- Badezusätze mit juckreizlindernden Substanzen
- Rückfettende Salben für trockene Haut
- Kühlsalben, die sowohl kühlend als auch rückfettend wirken
- Schüttelmixturen/Lotionen, die Thesit, Zink oder Stärke enthalten und Ihnen vom behandelnden Arzt verordnet werden können
- Teerhaltige Anwendungen
- Feuchte Umschläge, zum Beispiel mit Leitungswasser, Kochsalzlösung, schwarzem Tee, Eichenrinde, Zinnkraut oder Kamille (da eine Anwendung der Umschläge über mehrere Tage die Haut austrocknen kann, sollte diese Behandlungsmethode nur vorübergehend angewendet werden).
Darauf solten Sie achten:
Kleidung
Die Kleidung sollte keine tierische Wolle oder hautreizende Fasern wie Angora oder Mohair enthalten, luftig sein und - wenn sie direkten Hautkontakt hat - möglichst aus naturbelassener Baumwolle bestehen.
Entspannungsübungen
Bei leichten Formen von Juckreiz sind autogenes Training oder andere Entspannungstechniken (Yoga, Meditation oder progressive Muskelentspannung) hilfreich, die auch von Kindern schon ab etwa dem dritten Lebensjahr erlernbar sind.
Diese müssen jedoch meist über einen gewissen Zeitraum erlernt und eingeübt werden. Der Erfolg der Entspannung wird in aller Regel mit der Häufigkeit der Übungen zunehmen!
Kühle
- Schnelle Hilfe bei Juckreiz in der Nacht bieten Eisbeutel und Kühlelemente aus dem Tiefkühlfach.
- Bewährt hat sich auch, eine mit frischem Wasser und einigen Eiswürfeln gefüllte Blumenwasserspritze neben das Bett zu stellen und die juckende Haut bei Bedarf mit dem Sprühwasser abzukühlen.
- Achten Sie darauf, dass die Raumtemperatur nicht zu hoch ist, damit die Haut nicht durch Schwitzen zusätzlich austrocknet und außerdem durch zu hohe Temperaturen die Entwicklung von Hausstaubmilben gefördert wird.
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Wieso juckt die Haut nach dem Ausziehen?
Die Haut eines an Neurodermitis Erkrankten juckt häufig kurz nach dem Ausziehen, was bei Kindern und vor allem bei Säuglingen zu einem sich selbst steuernden unbewussten Kratzen führt. Weshalb es zu diesem Juckreiz kommt, ist nicht geklärt. Man vermutet, dass er durch das plötzliche Fehlen der Kleider und das Gefühl, nackt zu sein, ausgelöst wird.
Die Kinder müssen deshalb zwar nicht immer angekleidet bleiben, Sie sollten jedoch nach dem Entkleiden mit Juckreiz rechnen und gegebenenfalls das Kind ablenken. In manchen Fällen kratzt sich das Kind aus Scham vermehrt, wenn es sich vor fremden Menschen, wie zum Beispiel dem Arzt, ausziehen soll. Erklären Sie Ihrem Kind, warum es in dieser Situation nötig ist, dass es die Kleider ablegt, und versuchen Sie gemeinsam mit dem Arzt, dem Kind die Scheu vor dem Ausziehen zu nehmen.
Kratzen ist nicht gleich Kratzen
Bei Patienten mit Neurodermitis werden drei Formen von Kratzen unterschieden:
- massierendes Kratzen
- scheuerndes Kratzen
- hautzerstörendes unkontrolliertes Kratzen.
Langfristig können Sie das Kratzen durch eine angemessene Hautpflege, durch die richtige Wahl der Kleidung und den entsprechenden Umgang mit dem Kind vermindern. Es ist wichtig, auf die Art des Kratzens zu achten, da sie Hinweise darauf geben kann, auf welche Weise Sie am besten auf Ihr Kind eingehen können. Beim massierenden Kratzen genügt es in vielen Fällen, das Kind durch Spielen oder andere Tätigkeiten vom Juckreiz abzulenken und es auf andere Gedanken zu bringen.
Ein leichtes, massierendes Kratzen können Sie ruhig tolerieren, da es der Haut nicht schadet und keine Folgeerscheinungen, wie aufgekratzte Stellen oder eine Hautinfektion, zu erwarten sind.
Problematisch wird es, wenn massierendes Kratzen in scheuerndes Kratzen übergeht. Die Haut wird hierbei in Mitleidenschaft gezogen. Zudem kommt es durch die Hautreizung zu einer verstärkten Ausschüttung von juckreizauslösenden Substanzen, so dass der Wechsel zum zerstörenden, unkontrollierten Kratzen fließend sein kann. Meist wird das scheuernde Kratzen so lange fortgeführt, bis die Haut blutet oder gerade abheilende Stellen wieder aufbrechen.
Hier empfiehlt sich ein gezieltes Vorgehen: Lenken Sie Ihr Kind ab und cremen Sie die betroffenen Stellen ein. Auch physikalische Maßnahmen wie Anwendung von Kälteelementen, Umschläge oder im Extremfall sogar kurzes kaltes Duschen mit nachfolgendem Eincremen sind sinnvoll.
Am gefährlichsten ist das unkontrollierte Kratzen, da hierbei immer mit lang anhaltenden, häufig auch blutigen Hautschäden, nässenden Stellen und bakteriellen Infektionen zu rechnen ist. Das unkontrollierte Kratzen kann durch die massive Hautreizung, die ihrerseits wieder zu Juckreiz und Kratzen führt, in regelrechten Kratzanfällen enden. In dieser Situation geht es dem Betroffenen nur noch darum, dem Juckreiz nachzugeben. Die damit verbundene Schädigung der Haut ist ihm gleichgültig.
Wenn sich Ihr Kind in einer solchen Juckreizkrise befindet und sich stark kratzt, nehmen Sie es in den Arm und drücken es eng und fest an sich, bis die Krise abklingt. Durch das Umarmen wird der Kratzimpuls unterbrochen. Selbstverständlich sollten Sie es nicht so fest in die Arme nehmen, dass es Schmerzen empfindet oder ihm die Luft wegbleibt. Am besten erklären Sie Ihrem Kind gleichzeitig Ihr Vorgehen, damit es dieses nicht nur als unangenehme Freiheitsberaubung erlebt.
Manchmal kann es auch sinnvoll sein, dem Kratzimpuls Ihres Kindes keinen Einhalt zu gebieten, damit Ihr Kind lernt, die Folgen des Kratzen einzuschätzen und selbst verantwortungsvoll mit seiner Haut umzugehen.
Wenn Sie Zweifel über das richtige Vorgehen haben, sollten Sie sich an einen in der Neurodermitisbehandlung erfahrenen Therapeuten wenden und das in Ihrer Situtation richtige Vorgehen besprechen.
Was ist zu tun, wenn ein Kind sich kratzt?
In Ruhe verstärkt sich der Juckreiz fast immer. Daher ist es sinnvoll, dass Sie bereits beim ersten Auftreten eine Beschäftigung für sich oder Ihr Kind suchen, die vom Juckreiz ablenkt, zum Beispiel Aktivitäten wie Spielen, Sport, Basteln, Kochen oder Musizieren. Auch Müdigkeit kann den Juckreiz verstärken. In dieser Situation können Kinder durch das Vorlesen entspannender Geschichten vom Kratzen abgelenkt werden.
Sollten Sie jedoch bemerken, dass Ihr Kind durch das Kratzen immer mehr Zuwendung von Ihnen einfordert, ist es sinnvoller, das Kratzen nicht zu beachten. Beobachten Sie Ihr Kind möglichst unbemerkt und finden Sie heraus, wann es sich kratzt (zu welcher Tageszeit, in welcher Situation). Nur wenn die Auslöser des Juckreizes bekannt sind, können Sie gezielt versuchen, diese zu vermeiden. Auch wenn Sie das Kratzen Ihres Kindes nervös oder unruhig macht, versuchen Sie, Ihr Kind nicht zu kritisieren. Verlassen Sie notfalls lieber das Zimmer. Schlagen Sie Ihrem Kind vor, die Haut zu kneifen oder zu drücken anstatt zu kratzen.
Sanftes Streicheln mit der Hand über die juckenden Hautstellen wird oft als angenehm erlebt. Für viele Kinder stellt dies eine erhebliche Erleichterung dar, und sie können dann auf Kratzen verzichten. Vermeiden Sie unbedingt, die Hände Ihres Kindes anzubinden oder es während einer Juckreizkrise anzuschreien oder gar zu schlagen. Beschäftigen Sie sich nicht übermäßig mit dem Hautzustand Ihres Kindes, indem Sie zum Beispiel ständig über die Haut reden.
Tadel, Verbote oder Bestrafung aufgrund des Kratzens sind falsch!
Weil das Kratzen des Kindes bei Eltern verständlicherweise Ängste und auch Ärger auslöst, versuchen sie gelegentlich, Kratzhandlungen durch massive Verbote zu unterbinden. Ein Verbot bewirkt jedoch in der Regel das Gegenteil. Durch den starken psychischen Druck, sich überhaupt nicht mehr kratzen zu dürfen, nimmt die innere Spannung des Kindes zu und damit auch der Juckreiz. Dieser Teufelskreis (siehe Abbildung) aus Kratzen, Bestrafung, vermehrter Anspannung, vermehrtem Juckreiz, vermehrtem Kratzen und/oder empfindlicherer Bestrafung kann nur durchbrochen werden, wenn akzeptiert wird, dass es sich in einer die Haut nicht verletzenden Art kratzen darf.
Allein die Tatsache, dass mit dem Kind nicht mehr geschimpft wird, hat große therapeutische Bedeutung. Viele Eltern machen ihrem Kind häufig Vorwürfe, wenn es sich kratzt. Um diesen zu entgehen, wird das Kind gezwungen, das nicht zu unterdrückende Kratzen vor den Eltern zu verbergen.
Es kratzt sich hauptsächlich dann, wenn es sich unbeobachtet fühlt, und hat dabei in der Regel Schuldgefühle und ein schlechtes Gewissen. Beides ist aber völlig unangebracht, da die an Neurodermitis erkrankte Haut wesentlich empfänglicher für Juckreizeinflüsse ist als die gesunde Haut.
Oft kratzen sich Kinder mit Neurodermitis auch im Schlaf. Versuchen Sie, das Kratzen Ihres Kindes - solange es sich auf eine Reibung der Haut beschränkt - zu tolerieren.
Es ist wichtig, dass Ihr Kind keine Schuldgefühle und kein schlechtes Gewissen hat, da die psychische Anspannung ebenfalls zu Juckreiz führen kann. Oft wenden sich Eltern dem Kind aber auch dann besonders zu, wenn es sich kratzt. Ein Kind lernt schnell, dass die Eltern auf sein Kratzen reagieren und wird es deshalb auch einsetzen, wenn es etwas erreichen will.
Diesem Verhalten können Sie am besten durch Nichtbeachtung des Kratzens, Ablenkung und vermehrter Zuwendung in den kratzfreien Phasen begegnen. Das Nichtbeachten sollte jedoch nicht den Charakter einer Strafe bekommen.
Es wird immer wieder vorkommen, dass Sie als Eltern auch nicht alles genau richtig machen können. So wie Sie manchmal das Kratzen Ihres Kindes akzeptieren lernen müssen, sollten Sie auch sich selbst zugestehen, nicht immer "perfekt" im Umgang mit ihrem Kind sein zu können.