Krieg in der Ukraine behindert Polio-Impfkampagne der WHO

Gegen Ende des vergangenen Jahres gab es einen Polioausbruch in der Westukraine. Die Erkrankungen wurden von mutierten Polioviren verursacht, die von der Schluckimpfung abstammen. In vielen Ländern der Welt kommen noch diese Polio-Lebendimpfstoffe zum Einsatz (s. Hinweis). Die seit 1998 bei uns verwendete Poliovakzine enthält im Gegensatz dazu abgetötete Polioviren (IPV) und kann somit keine Erkrankung auslösen.

Um die niedrige Polioimpfquoten in der Ukraine (unter 50 Prozent in der Westukraine) zu erhöhen und den Ausbruch im Griff zu bekommen, hat die WHO eine Impfkampagne gestartet. Im Februar 2022 sollten 140.000 bisher ungeimpfte Kinder eine erste Impfdosis erhalten. Die Impfaktion wurde wegen der Invasion russischer Truppen unterbrochen, etwa 100.000 Kinder konnten nicht geimpft werden. Als Folge des Krieges hatten viele Kinder die Ukraine verlassen. In den Nachbarländern (Republik Moldau, Polen, Rumänien, Slowakei, Ungarn) konzentriert sich jetzt die WHO auf eine verstärkte Überwachung der Poliofreiheit - z. B. über Nachweis von Polioviren in den Abwässern - und auf die Registrierung und Impfung von Kindern auf der Flucht.

Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine können seit Anfang März in der EU einen Antrag auf vorübergehenden Schutz bei der zuständigen Ausländerbehörde stellen. Ein Asylantrag zur Sicherung eines Aufenthaltsrechts oder zur Inanspruchnahme sozialer und medizinischer Leistungen (dazu zählen auch Impfungen) ist laut EU-Beschluss nicht erforderlich, kann aber zu einem späteren Zeitpunkt noch erfolgen.

Das Robert Koch-Institut (RKI) fordert, dass die in Deutschland ankommenden ukrainischen Kinder eine Impfung mit dem hier ausschließlich angewendeten inaktivierten Polioimpfstoff (IPV) erhalten sollen.

Es gilt aber für uns alle, die Impfung ist der beste Schutz gegen Kinderlähmung. Als geschützt gilt, wer im Laufe seines Lebens eine Grundimmunisierung (bestehend aus mind. drei Impfungen) plus eine Auffrischungsimpfung erhalten hat.

Hinweis: Zirkulieren die abgeschwächten Polio-Impfviren aus dem Schluckimpfstoff länger in einer unzureichend geimpften Bevölkerung (Impfquoten zu niedrig), können sich diese genetisch verändern, zu Kinderlähmung führen und Ausbrüche verursachen. An die Weltgesund­heitsorganisation (WHO) wurden im Jahr 2020 weltweit 1.113 von mutierten Impfviren verursachte Erkrankungen gemeldet, bisher die höchste Fallzahl. Im letzten Jahr wurden noch 659 Fälle gemeldet.


Erstellt: 02.05.2022

Quelle:

RKI: Impfvirus-abgeleitete Polioviren zirkulieren auch in Europa. Epidemiologisches Bulletin 15/2022