Mittelohrentzündung - wann Antibiotika?

10.2017

(dgk) Erfreulicherweise empfehlen Ärzte bei Mittelohrentzündungen immer häufiger das Prinzip der „abwartenden Beobachtung“, statt gleich, wie früher häufig, ein Antibiotikum zu verschreiben. Das Abwarten ist aber nicht einfach, wenn man ein leidendes, gereiztes Kind mit Ohrenschmerzen, Fieber und Schlafproblemen vor sich hat.

Viele Eltern (und auch Ärzte) sind unsicher, ob nicht doch ein Antibiotikum notwendig ist. Woran können sie beim abwartenden Beobachten erkennen, ob das Mittel notwendig ist?

Warnzeichen sind eitriger Ohrausfluss und beidseitige Entzündung

Auf dem Kongress für Kinder- und Jugendmedizin 2017, der im September in Köln stattfand, wurden Anhaltspunkte gegeben. Für eine Antibiotikaverordnung bei einer akuten Mittelohrentzündung spricht demnach eine Entzündung beider Ohren sowie eitriger Ohrausfluss. Beide Symptome weisen auf bakterielle Infektionen hin, die sich mit Antibiotika gut behandeln lassen.
Warnzeichen für Komplikationen wie Hörstörungen, die länger als eine Woche anhalten, Erbrechen, unzureichende Flüssigkeitsaufnahme, Drehschwindel sowie eine Rötung, Schwellung oder Klopfschmerz über dem Knochen-Vorsprung hinter dem Ohr (Mastoid) machen ebenfalls eine Behandlung mit Antibiotika notwendig.

Auch Eltern sind gefragt

Eltern sollten einen Arzt nicht bedrängen, ein Antibiotikum zu verschreiben. Umgekehrt sollte der Arzt nur bei schwerwiegenden Begleiterkrankungen oder einem schweren Verlauf eines bakteriellen Infekts sofort ein Antibiotikum verschreiben. Ansonsten reicht eine abwartende Beobachtung mit engmaschiger ärztlicher Kontrolle und die Gabe schmerzstillender Mittel aus.

Nicht mehr Komplikationen durch abwartende Beobachtung

Ein solches abwartendes Vorgehen vermeidet mögliche Nebenwirkungen durch Antibiotika. In Studien wurde untersucht, ob es dadurch häufiger zu Komplikationen oder neuen Erkrankungen kommt. Dies ist nicht der Fall.

Mittelohrentzündung heilt meist ohne Antiobitka

Die akute Otitis media heilt bei mindestens 80 Prozent der Kinder unter symptomatischer Therapie (z. B. Schmerzmittel, Nasentropfen) spontan aus. Nicht wenige der kleinen Patienten bekommen Antibiotika, obwohl die Entzündung in der Regel ohne Behandlung vorbeigeht. Noch überflüssiger erscheint diese Therapie, wenn man sich vor Augen führt, dass die Erkrankung häufig durch Viren ausgelöst wird, weshalb Antibiotika nichts ausrichten können. Dem fraglichen Nutzen stehen unerwünschte Wirkungen wie Durchfall gegenüber. Durch einen häufigen Einsatz von Antibiotika können zudem gefährliche Keime mit Resistenzen „gezüchtet“ werden.

    Die akute Mittelohrentzündung ist eine der am weitesten verbreiteten Infektionen im Säuglings- und Kindesalter. Etwa 60 Prozent aller Kinder haben bis zu ihrem sechsten Lebensjahr mindestens einmal unter der schmerzhaften Erkrankung gelitten.

    Quellen:

    1. Antibiotika gegen akute Mittelohrentzündung bei Kindern: Venekamp RP, Sanders SL, Glasziou PP, Del Mar CB, Rovers MM. Antibiotics for acute otitis media in children. Cochrane Database of Systematic Reviews 2015, Issue 6. Art. No.: CD000219. DOI: 10.1002/14651858.CD000219.pub4
    2. Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM): Leitlinie Ohrenschmerzen, Stand: 01.11.2014, gültig bis 31.05.2019
    3. Springer Medizin, Meldung vom 3.10.2017: Wann und welches Antibiotikum bei akuter Otitis media? www.springermMedizin.de