Rückgang meldepflichtiger Infektionskrankheiten - vielschichtige Ursachen
Die Corona-Pandemie hat zu einem drastischen Rückgang meldepflichtiger Infektionskrankheiten in Deutschland geführt: Das zeigt eine neue Publikation des Robert Koch-Institutes (RKI), die im Epidemiologischen Bulletin 7/2021 veröffentlicht wurde. Die Fälle von 32 verschiedenen Infektionskrankheiten, die zwischen Januar 2016 und August 2020 an das Robert Koch-Institut übermittelt wurden, wurden dafür ausgewertet.
Im Zeitraum des Epidemie-Beginns in der 10. Kalenderwoche 2020 bis zum Ende des Beobachtungzeitraums in der 32. Kalenderwoche 2020 wurden 216.825 COVID-19-Fälle und 162.942 Fälle anderer Infektionskrankheiten an das RKI gemeldet. Die Zahl der übermittelten nicht COVID-19 Fälle zeigt einen Rückgang von 35 Prozent im Vergleich zu den zu erwartenden Fallzahlen im selben Zeitraum der Vorjahre (2016-2019). Der Rückgang betrifft alle Altersgruppen, insbesondere die der Jüngeren und Älteren: bei den unter 14-Jährigen beträgt er 45 Prozent und bei den über 80-Jährigen waren es 44 Prozent weniger.
Der stärkste Rückgang wurde bei respiratorisch übertragbaren Erkrankungen festgestellt, besonders hoch war dieser bei Masern (-85 Prozent), Keuchhusten (-63 Prozent) und bei den invasiven Haemophilus-influenzae-Erkrankungen (- 61,3 Prozent). Gastrointestinale Krankheiten verursacht durch Rotaviren, Noroviren und Shigellose zeigen ebenfalls sehr stark - etwa um 80 Prozent - reduzierte Fallzahlen. Auch die Zahl der nosokomialen Infektionen hat deutlich abgenommen. Sexuell und durch Blut übertragbare Infektionen wie HIV, Hepatitis B und C zeigen einen Rückgang um etwa 25 Prozent. Für die vektorübertragbaren Krankheiten wie Denguefieber und Malaria wurden weniger Fälle übermittelt (75,1 Prozent bzw. 73 Prozent weniger). Unter aller untersuchten Infektionskrankheiten wurde im Jahr 2020 nur für FSME (Frühsommer-Meningoenzephalitis) ein Anstieg der Fälle um 57,7 Prozent beobachtet.
Was könnten die Gründe für den starken Rückgang der Fallzahlen sein?
Die Gründe für den Rückgang sind vielschichtig. Die in der Pandemie eingeführten Public-Health-Maßnahmen (NPIs) wie Kontaktbeschränkungen, Abstands- und Hygiene-Regeln, aber auch Schul- und Kita-Schließungen können Einfluss auf das Auftreten, die Übertragung und die Erfassung von Infektionskrankheiten gehabt haben.
Auch die Reisebeschränkungen und die dadurch vermehrten Outdoor-Aktivitäten der Bevölkerung könnten zur Reduktion der typischen Reiseerkrankungen und zum Anstieg der FSME-Fälle beigetragen haben. Die erhöhten FSME-Fallzahlen können auch durch epidemiologische Faktoren wie Saisonalität, erhöhte Virusprävalenz - durch die im Jahr 2020 angestiegene Zahl adulter Zecken - beeinflusst sein. Der starke Rückgang von Masernfällen lässt sich mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ebenfalls teilweise mit dem Rückgang der Reisetätigkeit erklären, da Masernausbrüche laut der Nationalen Verifizierungskommission Masern/Röteln in der Regel durch Import der Masernviren entstehen. Die Influenzasaison 2019/2020 war eher moderat, kürzer als erwartet und endete abrupt, was ebenfalls auf den Einfluss der NPIs zurückzuführen sein könnte.
Neben den tatsächlichen Rückgang von Infektionskrankheiten in der Bevölkerung spielen auch andere Faktoren eine Rolle, wie das veränderte Verhalten der Bevölkerung in Bezug auf das Aufsuchen von Arztpraxen bzw. medizinischen Einrichtungen sowie die Häufigkeit von durchgeführten Tests zur Surveillance von Infektionskrankheiten.
Erstellt: 22.02.2021