Respiratorische Synzytial-Virus-Infektionen (RSV)
Erreger und Vorkommen
Das RS-Virus ist weltweit verbreitet und einer der bedeutendsten Erreger von Atemwegsinfektionen insbesondere bei Frühgeborenen und Kleinkindern. Eine RSV-Infektion ist in dieser Altersgruppe die häufigste Ursache von schweren Erkrankungen der unteren Atemwege, vor allem Lungenentzündungen und Bronchiolitis (siehe unten) führen zu Krankenhauseinweisungen.
RSV-Infektionen treten - wie Influenza - saisonal auf, auch die Symptomatik ist ähnlich. Die RSV-Saison erstreckt sich in Mitteleuropa von November bis April. Die Infektionen betreffen alle Altersgruppen. Neben den Kleinsten sind Erwachsene über 60 Jahren stärker gefährdet. Neugeborene und junge Säuglinge können in den ersten 4 bis 6 Lebenswochen durch Antikörper der Mutter gegen das RS-Virus, die in den letzten Schwangerschaftswochen über die Planzenta auf das Ungeborene übertragen werden, geschützt werden. Da Frühgeborene von diesem sog. Nestschutz nicht ausreichend profitieren können, sind sie besonders gefährdet. Bis zum 2. Lebensjahr machen fast alle Kinder mindestens eine RSV-Infektion durch. Eine langfristige Immunität besteht nicht.
Übertragung und Krankheitsbild
RS-Viren werden in erster Linie durch Tröpfcheninfektion übertragen. Eine Ansteckung ist, so wird vermutet, auch durch kontaminierte Hände und Gegenstände möglich. Die Inkubationszeit beträgt 2 bis 8 Tage. Zuerst treten Symoptome in den oberen Atemwegen auf wie Schnupfen, Husten oder auch eine Rachenentzündung mit Halskratzen und -schmerzen. Fieber ist häufig. Mit der Ausweitung der Erkrankung auf die unteren Atemwege verstärkt sich der Husten, die Atemfrequenz steigt, es kann auch zu Atemnot kommen. Der Allgemeinzustand verschlechtert sich, bei Babys äußert sich dies in Trinkverweigerung, Reflux, Erbrechen und schlussendlich einer Dehydratation. Das sind typische Zeichen einer RSV-Bronchiolitis. Auch eine Lungenentzündung oder Tracheobronchitis (Entzündung der Schleimhäute in der Luftröhre und in den Bronchien der Lunge) können folgen.
Reinfektionen, Komplikationen
Da die Erkrankung nicht zu einer anhaltenden Immunität führt, sind erneute Infektionen mit RS-Viren in allen Altersgruppen häufig. Bei Kindern kann es auch hier zu Erkrankungen der unteren Atemwege kommen, die aber meist weniger schwer verlaufen als bei der Primärinfektion. Husten kann jedoch über mehr als 4 Wochen anhalten. Infizierte Erwachsene können ausgeprägte grippeähnliche Symptome zeigen.
Eine häufige Komplikation der RSV-Infektion ist die Mittelohrentzündung, insbesondere bei Kindern unter 3 Jahren. Als Langzeitkomplikation kann eine akute RSV-Bronchiolitis eine anhaltende Hyperreagibilität, also eine übersteigerter Empfindlichkeit und Reaktionsbereitschaft des Bronchialsystems zur Folge haben.
Therapie
Die Therapie einer RSV-Infektion ist lediglich symptomatisch und besteht aus ausreichender Flüssigkeitszufuhr, Nasenspülungen oder -tropfen. Je nach Zustand des Patienten kann Sauerstoffzufuhr oder auch Beatmung erforderlich werden.
Neben Frühgeborenen und Älteren sind Menschen mit folgenden Vorerkrankungen besonders gefährdet, schwer an einer RSV-Infektion zu erkranken:
- Kinder mit Erkrankungen der Lunge (z.B. bronchopulmonale Dysplasie, zystische Fibrose, neurologische und muskuläre Erkrankungen mit eingeschränkter Ventilation)
- Kinder mit Herzfehlern mit vermehrter Lungendurchblutung
- Erwachsene mit Herz- und Lungenerkrankungen
- alle immundefizienten und immunsupprimierten Personen; besonders gefährdet sind Empfänger hämatopoetischer Zelltransplantate (Knochenmarktransplantation, Stammzelltransplantation), Empfänger von Lungen- oder anderen Organtransplantaten sowie stark immunsupprimierte Patienten mit Krebserkrankungen des blutbildenden Systems.
Präventive Maßnahmen
Passive Immunisierung (Gabe von Antikörpern)
Seit Ende Juni 2024 empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) den monoklonalen Antikörper (mAk) Nirsevimab für alle Neugeborenen und Säuglinge unabhängig von möglichen Risikofaktoren in ihrer 1. RSV-Saison. Die Gabe erfolgt einmalig und intramuskulär.
Damit soll die Häufigkeit schwer verlaufender RSV-Erkrankungen bei Neugeborenen und Säuglingen vermindert werden. Insbesondere sollen RSV-bedingte Hospitalisierungen, intensivmedizinische Behandlungen und RSV-bedingte Todesfälle sowie stationäre und ambulante Versorgungsengpässe verhindert werden, so die STIKO.
Neugeborene und Säuglinge sind in ihren ersten 6 Lebensmonaten besonders gefährdet, schwer an RSV zu erkranken. RSV-Infektionen sind die häufigste Ursache für Krankenhauseinweisungen von Säuglingen in Deutschland.
Monoklonale Antikörper sind Antikörper, die von einer bestimmten Zelllinie gebildet werden. Da sie sich nur gegen einen identischen Bestandteil des RSV richten, muss zu aktiven Immunisierungen (= Impfungen) kein Abstand eingehalten werden.
Umsetzung der Empfehlung:
- Säuglinge, die zwischen April und September geboren sind, sollen den monoklonalen Antikörper Nirsevimab möglichst im Herbst vor Beginn ihrer 1. RSV-Saison erhalten.
- Neugeborene, die während der RSV-Saison (meist zwischen Oktober und März) geboren werden, sollen Nirsevimab möglichst rasch nach der Geburt erhalten, idealerweise bei Entlassung aus der Geburtseinrichtung bzw. bei der U2-Untersuchung (3. – 10. Lebenstag).
- Neugeborene mit längerem stationären Aufenthalt nach der Geburt sollten Nirsevimab rechtzeitig vor der Entlassung erhalten, wenn der Aufenthalt in die RSV-Saison fällt. Eine passive Immunisierung mit Nirsevimab kann auch bereits während des Klinikaufenthalts erwogen werden, wenn dies sonnvoll erscheint.
- Eine versäumte Nirsevimab-Gabe soll innerhalb der 1. RSV-Saison schnellstmöglich nachgeholt werden.
Aktive Immunisierung (Impfung)
Es gibt zwei zugelassene Impfstoffe zum Schutz vor Erkrankungen der unteren Atemwege, die durch das Respiratorische Synzytial-Virus verursacht werden.
Ein Impfstoff kann bei Schwangeren und Personen ab 60 Jahren verwendet werden:
Die Impfung schützt indirekt Säuglinge in den ersten 6 Lebensmonaten, wenn ihre Mütter zwischen den Schwangerschaftswochen 24 und 36 eine Impfung erhalten, sowie Menschen ab 60 Jahren vor Erkrankungen der unteren Atemwege, die durch das RS-Virus verursacht werden.
Ein zweiter zugelassener Impfstoff steht für Personen ab 60 Jahren zur Verfügung.
Anmerkung: Eine Empfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO) zur Impfung gegen RSV steht für beide Personengruppen noch aus (Stand Juni 2024).
Symptome einer RSV-Infektion bei Säuglingen
Laut Robert Koch-Institut treten folgende Symptome bei Säuglingen auf:
- Schnelles, angestrengtes Atmen
- Kraftlosigkeit
- Blasse Hautfarbe
- Trinkschwäche
- Evtl. Atempause
- Evtl. erhöhte Temperatur oder Fieber
- Evtl. kühle Finger und Hände
(siehe dazu auch den RKI-Ratgeber zu RSV, Abschnitt Klinische Symptomatik und Therapie. Stand: 12.12.2022)
Was tun bei RSV-Verdacht des Kindes?
Das Robert Koch-Institut beantwortet auf seiner Seite viele Fragen unter "Häufig gestellte Fragen und Antworten zu RSV-Infektionen" https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/RSV/FAQ_Liste.html
und gibt folgende Handlungshinweise für die Eltern:
"Sobald Eltern den Eindruck haben, dass ihr Kind Atemnot hat beziehungsweise die Atmung schnell, erschwert oder unregelmäßig ist, oder es weniger Flüssigkeit zu sich nimmt, sollten sie unbedingt einen Kinderarzt aufsuchen.
Bei Kindern mit Vorerkrankungen und Frühgeborenen sollten bereits erste Warnzeichen wie Husten und Fieber prinzipiell ärztlich abgeklärt werden."
STIKO-Impfempfehlung gegen RSV für Erwachsene
Die STIKO empfiehlt allen Personen ≥ 75 Jahre eine einmalige Impfung gegen RSV. Außerdem wird Personen im Alter von 60 bis 74 Jahren, die eine schwere Form einer Grunderkrankung haben und/oder die in einer Einrichtung der Pflege leben, eine einmalige RSV-Impfung empfohlen. Zu den Grunderkrankungen gehören u.a. schwere Formen chronischer Erkrankungen der Atmungsorgane, Nieren oder des Herz-Kreislauf-Systems. Die RSV-Impfung sollte möglichst im September/Anfang Oktober erfolgen, um bereits in der darauffolgenden RSV-Saison (Oktober-März) einen bestmöglichen Schutz zu bieten. (Epid. Bull. 32/2024
Erstellt: 09.01.2023, aktualisiert am 28.08.2024
Quellen:
- STIKO: Standardimpfung gegen Erkrankungen durch Respiratorische Synzytial-Viren (RSV) für Personen ≥ 75 Jahre sowie zur Indikationsimpfung von Personen im Alter von 60 bis 74 Jahren mit Risikofaktoren Epid. Bull. 32/2024
- Mitteilung der Ständigen Impfkommission beim Robert Koch-Institut: Beschluss zur Empfehlung der STIKO zur spezifischen Prophylaxe von RSV-Erkrankungen mit Nirsevimab bei Neugeborenen und Säuglingen in ihrer 1. RSV-Saison, Epid. Bulletin 26/2024
- Robert Koch-Institut Ratgeber: RSV (Stand: 02.02.2024); unter https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_RSV.htmlRobert Koch-Institut:
- Robert Koch-Institut Häufig gestellte Fragen und Antworten zu RSV-Infektionen (Respiratorische Synzytial-Viren) (Stand: 12.12.2022); unter https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/RSV/FAQ_Liste.html