Prävention

Krebs

Studien an Zellkulturen (in vitro) konnten den Nachweis erbringen, dass die NAD-Spiegel einen Einfluss der zellulären Antwort auf DNA-Schäden haben, ein wichtiger Risikofaktor für die Krebsentstehung. Zelluläres NAD wird in der Synthese von ADP-Ribose-Polymeren verbraucht, welche eine Rolle bei der DNA-Reparatur spielen. Ausserdem kann zyklische ADP-Ribose auch Zell-Signalwege aktivieren, die eine wichtige Rolle bei der Krebsprävention spielen (11). Darüberhinaus führt ein zellulärer Abbau von NAD zum Rückgang des wichtigen tumorhemmenden Proteins p53 in menschlichen Brust-, Haut- und Lungenzellen (10). Weder der zelluläre NAD-Gehalt Inhalt noch die Aufnahme von Stoffen, aus denen NAD gebildet werden kann (Niacin und Tryptophan), der für eine Optimierung von Schutzreaktionen auf DNA-Schäden bewirken können, konnte bisher bestimmt werden. Die nötigen Mengen zur Krebsprävention sind aber wahrscheinlich höher als diejenigen, die zur die Prävention von Pellagra nötig sind. Es wurde festgestellt, dass ein Niacinmangel zum Abbau von NAD und Poly-ADP-Ribose im Knochenmark führen, und somit das Risiko einer chemisch induzierten Leukämie erhöhen kann (12). Außerdem berichtet eine Studie, dass eine Ergänzung mit Niacin das Risiko von durch UV-Licht induziertem Hautkrebs bei Mäusen reduzieren konnte (13). Allerdings ist nur wenig über zelluläres NAD und die Prävention von DNA-Schäden oder Krebs beim Menschen bekannt. In einer Studie mit zwei gesunden Personen konnten die NAD-Spiegel in Blut-Lymphozyten durch die Ergänzung mit mit 100 mg Nikotinsäure für eine Dauer von acht Wochen erhöht werden. Im Vergleich zu Personen, die keine Niacin-Ergänzung einnahmen wiesen diese Versuchspersonen deutlich weniger DNA-Strang-Brüche in Lymphozyten auf, die im Reagenzglas freien Radikalen ausgesetzt wurden (14). In jüngsten Studien konnte eine Ergänzung mit Nikotinsäure von bis zu 100 mg am Tag bei 21 gesunden Rauchern einen Rückgang der durch Zigarettenrauch induzierten genetischen Schäden in Blut-Lymphozyten im Vergleich zum Placebo nicht nachweisen (15).

Im Allgemeinen werden die Wechselwirkungen zwischen Ernährungsfaktoren und Krebs zunächst in epidemiologischen Studien bestimmt und danach durch Krebs-Grundlagenforschung auf zellulärer Ebene untersucht. Im Fall von Niacin konnte die Forschung über biochemische und zelluläre Aspekte der DNA-Reparatur zu gesteigertem Interesse an der Beziehung zwischen Niacinaufnahme und Krebsrisiko in verschiedenen Bevölkerungsgruppen führen (16). Aktuell fand eine gross angelegte Fallstudie, dass eine hohe Aufnahme von Niacin in Verbindung mit Antioxidantien im Zusammenhang mit einer reduzierten Häufigkeit von Mund-, Rachen- und Speiseröhrenkrebs in Norditalien und der Schweiz steht (17, 18). Eine Erhöhung der Niacineinnahme um 6,2 mg war dabei mit einem Rückgang von über 40% an Krebsfällen in Mund und Rachen assoziiert, während eine Erhöhung der Niacinaufnahme um 5,2 mg im Zusammenhang mit einem ähnlichen Rückgang der Fälle von Speiseröhrenkrebs stand.

Typ-1-Diabetes (insulinabhängiger Diabetes)

Der insulinabhängige Diabetes mellitus bei Kindern, häufig auch als Typ-I-Diabetes bezeichnet, entsteht aus der autoimmunen Zerstörung von insulinausschüttenden Betazellen der Bauchspeicheldrüse. Vor dem Beginn der Diabetes-Symptome können bereits spezifische Antikörper, einschliesslich der Inselzell-Antikörper (ICA), im Blut von Personen mit hohem Risiko festgestellt werden. Die Fähigkeit zur Erkennung von Personen mit hohem Risiko für die Entwicklung von Typ-I-Diabetes führte zur Anmeldung vieler gefährdeter Geschwister von Kindern mit Typ-I-Diabetes in Studien zur Verhinderung des Ausbruchs der Krankheit. Hinweise aus in vitro- und Tierstudien zeigen, dass hohe Dosen an Nikotinamid die Beta-Zellen der Bauchspeicheldrüse vor Schäden durch giftige Chemikalien, entzündliche weißen Blutkörperchen und reaktive Sauerstoffspezies (freie Radikale) zu schützen vermag. Pharmakologische Dosen von Nikotinamid (bis zu 3 g täglich) wurden zunächst benutzt, um Beta-Zellen bei Patienten kurz nach Beginn der Typ-I-Diabetes zu schützen. Eine Analyse von zehn Studien (fünf davon placebokontrolliert) lieferte Belege für eine Verbesserung der Funktion der Beta-Zellen nach einem Jahr der Behandlung mit Nikotinamid, die Analyse konnte jedoch keinen klinischen Nachweis einer Verbesserung der glykämischen (Blutzucker)-Kontrolle erbringen (19). In jüngster Zeit gab es Anzeichen dafür, dass hohe Nikotinamid-Dosen zur Verringerung der Insulinempfindlichkeit bei Angehörigen von Typ-I-Diabetes-Patienten, die selbst ein hohes Risiko hatten (20). Dies könnte die Feststellung einer verbesserten Beta-Zell-Funktion ohne gleichzeitige Verbesserung der Blutzuckerkontrolle erklären. Mehrere Pilotstudien zur Verhütung der Typ-I-Diabetes in ICA-positiven Verwandten von Patienten mit Typ-I-Diabetes führten zu widersprüchlichen Ergebnisse, während eine grosse randomisierte Studie mit Schulkindern eine deutlich geringere Inzidenz von Typ-I-Diabetes in der mit Nikotinamid behandelten Gruppe zeigte. Eine grosse multizentrische, randomisierte und kontrollierte Studie zur Nikotinamid-Egänzung bei ICA-positiven Geschwistern von Typ-I-Diabetes-Patienten im Alter von 3 bis 12 Jahren konnte keinen Unterschied in der Inzidenz von Typ-I-Diabetes nach einer Dauer von drei Jahren feststellen (19). Eine weitere grosse multizentrische Studie zu hochdosiertem Nikotinamid in Verwandten von Typ-I-Diabetes-Patienten ist derzeit im Gange (21). Im Gegensatz zu Nikotinamid zeigte sich Nikotinsäure als nicht wirksam zur Prävention von Typ-I-Diabetes.

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