Darum empfiehlt die STIKO auch weiterhin die Impfungen gegen die „alten“ Krankheiten Diphtherie und Polio

Viele Menschen fragen sich, warum man sich auch heute noch gegen Infektionskrankheiten impfen lassen soll, die doch bei uns gar nicht mehr oder kaum noch vorkommen. Dafür gibt es gute Gründe. Denn Polio-Viren und auch das vergessen geglaubte Diphtherie-Bakterium sorgen gerade für Schlagzeilen.

Damals…
Ältere Generationen erinnern sich noch an die gefährliche Kinderkrankheit Diphtherie, auch Würgeengel der Kinder genannt. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gab es auch in Deutschland immer wieder größere Diphtherie-Epidemien. Die letzte fand 1942 bis 1945 statt, alleine 1943 erkrankten ca. 245.000 Menschen. In den 1990er-Jahren starben in Russland und den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion etwa 7.000 Menschen an Diphtherie – Grund waren niedrige Impfraten. Erst das Eingreifen der Weltgesundheitsorganisation mit Massenimpfungen stoppte diese fatale Entwicklung.

Auch die Kinderlähmung (Poliomyelitis) ist vielen noch in Erinnerung. Es gab bis zur Einführung der Impfung zu Beginn der 1960er-Jahre viele kleinere und große Epidemien, auch in Deutschland. Bei der letzten großen Epidemie 1952/53 wurden mehr als 15.000 paralytische (Lähmungs-)Fälle gemeldet. Lähmungen treten nur bei etwa jedem 100. Erkrankten auf. Aber auch alle Infizierten ohne Symptome sind ansteckend und scheiden die Viren mit dem Stuhl aus.

…und heute?
Im Dezember 2024 veröffentlichte die Ständige Impfkommission (STIKO) eine Stellungnahme zur Polio-Situation, da auch in einigen Städten in Deutschland – wie zuvor bereits in Großbritannien, den USA und anderen Ländern – Polio-Viren im Abwasser nachgewiesen wurden, und zwar vom Schluckimpfstoff-abgeleitete Polio-Viren des Typ 2. Die Untersuchung von Abwasser wird als Frühwarnsystem genutzt, um möglichst schnell zu erkennen, ob in der Bevölkerung Menschen mit Polio-Viren infiziert sind und diese ausscheiden. Bislang wurden jedoch weder Verdachtsfälle noch bestätigte Fälle von Poliomyelitis an das Robert Koch-Institut übermittelt.

Auch die Diphtherie macht zurzeit wieder von sich reden, spätestens nachdem in Berlin ein 10-jähriger Junge im Januar dieses Jahres daran verstarb; seit Ende September hatten die Ärzte versucht, ihn noch zu retten. Das Kind war ungeimpft. Bei der Mutter des Kindes war ebenfalls Diphtherie festgestellt worden. Durch ihren Impfschutz hatte sie allerdings nur einen leichten Erkrankungsverlauf.

Warum jetzt gegen Diphtherie impfen?
Todesfälle an Diphtherie sind in Deutschland sehr selten, da bisher durch gute Impfraten eine Herdenimmunität bestand. Sind aber weniger als 80 Prozent der Menschen gegen Diphtherie geimpft, kann es wieder zu vermehrten Erkrankungen und damit auch Todesfällen kommen. Seit dem Geburtsjahrgang 2020 ist ein Absinken der Impfquote bei der 3. Impfung Diphtherie-Tetanus-Pertussis zum Abschluss der Grundimmunisierung mit 11 Monaten zu beobachten. Im Geburtsjahrgang 2021 waren es zuletzt im Alter von 15 Monaten lediglich 64 Prozent.
Auch bei jungen Erwachsenen klaffen Impflücken: nur gut die Hälfte der 18-Jährigen verfügte 2021 über einen ausreichenden Schutz. Viel zu wenig also, um den Erregern durch persönlichen Impfschutz und damit auch Herdenimmunität Einhalt zu gebieten. Denn die therapeutischen Möglichkeiten sind bei Diphtherie sehr beschränkt, auch heute noch.

Eine überstandene Diphtherie-Erkrankung bietet übrigens keinen Schutz vor einer weiteren Infektion, auch diese Menschen müssen geimpft werden. Bisher wurden in diesem Jahr 6 Diphtherie-Erkrankungen gemeldet, 2024 waren es 51. Deshalb ist und bleibt es so wichtig, die Impfempfehlung der STIKO umzusetzen: nur alle 10 Jahre ist die Auffrischimpfung not-wendig. Eine Kombinationsimpfung gegen Tetanus, Diphtherie und ggf. auch Keuchhusten und Kinderlähmung ist das Richtige für Erwachsene, für Kinder gibt es noch andere Kombinationsimpfstoffe.

Warum jetzt gegen Polio impfen?
Das RKI betont, dass das Risiko einer Ansteckung zwar gering ist. Dennoch könnten sich vereinzelt unzureichend geimpfte Menschen infizieren und gegebenenfalls auch schwer er-kranken. Die STIKO nimmt dies zum Anlass, auf ihre bestehen-den Impfempfehlungen zum Schutz vor Poliomyelitis hinzuwei-sen und empfiehlt, ganz besonders auf den Impfschutz der Kin-der zu achten. Denn bis zum Alter von 2 Jahren erreichen bun-desweit nur 77 % der Kinder eine abgeschlossene Grundimmu-nisierung, in einzelnen Landkreisen sind es weniger als 60 %.
Die Grundimmunisierung sollte aber laut Impfkalender bereits mit 11 Lebensmonaten abgeschlossen werden. Jugendliche bekommen nach STIKO-Impfkalender eine Auffrischimpfung, und Er-wachsene sollten grundsätzlich alle eine Grundimmunisierung und eine Auffrischimpfung nachweisen können. Im Zweifelsfall hilft auch Ihre Arztpraxis oder Apotheke beim Impfpasscheck – denn die aktuellen Berichte zeigen, welche fatalen Folgen Impflücken auch hierzulande haben können.
Weitere Informationen finden Sie hier: https://dgk.de/impfen-und-infektionen/impfschutz-nach-altersgruppen.html.


Erstellt: 10.03.2025

Quellen:

  1. RKI-Ratgeber Diphtherie, RKI-Ratgeber Poliomyelitis, www.rki.de/DE/Aktuelles/Publikationen/RKI-Ratgeber/rki-ratgeber-node.html
  2. Bundesverband Poliomyelitis e. V., www.polio-selbsthilfe.de/de/Was-ist-Kinderlaehmung
  3. Deutsches Ärzteblatt, Lauterbach und Kinderärzte rufen zur Impfung gegen Diphtherie auf, Stand30.01.2025
  4. Nationale Lenkungsgruppe Impfen (NALI), www.nali-impfen.de/infos-service/nachrichten/artikel/hinweis-des-rki-schluckimpfstoff-abgeleitete-polioviren-in-abwasserproben-an-mehreren-orten-indeutschland/,Stand 24.11.2024
  5. Stellungnahme der STIKO anlässlich des Nachweises von Schluckimpfstoff-abgeleiteten Polioviren imAbwasser in Deutschland, Epid. Bulletin 50/2024, www.stiko.de
  6. Impfquoten in Deutschland, Epid. Bulletin 50/2024, www.stiko.de
  7. SurvStat Robert Koch-Institut, Abfrage Diphtherie am 20.02.2025
  8. Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) beim Robert Koch-Institut 2025, Epid. Bulletin 4/2025, www.stiko.de
  9. ARD, https://www.tagesschau.de/inland/regional/brandenburg/junge-diphterie-100.html
  10. Berliner Morgenpost, https://www.morgenpost.de/brandenburg/article407468968/berliner-schueler-andiphtherie-erkrankt-behandlung-in-charitC3A9.html

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