Rotavirus-Erkrankungen

Rotaviren sind weltweit für Millionen Krankheitsfälle, vorwiegend bei Säuglingen und Kleinkindern, verantwortlich. Die Kinder leiden 2 bis 6 Tage unter schweren Brech-Durchfällen.

Die eigentliche Bedrohung geht dabei nicht vom Virus selbst aus, sondern besteht in der Gefahr, das in kurzer Zeit sehr viel Wasser und Mineralien verloren gehen. Gerade bei Kindern hat das dramatische Folgen, sie trocken buchstäblich aus, und das in sehr kurzer Zeit. Aus diesem Grund sterben vor allem in medizinisch weniger gut versorgten Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas Kinder zu Tausenden an der Krankheit. In unseren Breiten ist die Infektion aber ebenfalls bedrohlich und muss in vielen Fällen in der Klinik intensiv behandelt werden. Einige Kinder sterben auch in Deutschland an einer schweren Rotavirus-Erkrankung.

Der Erreger

1943 kam man der Gastroenteritis (Magen-Darm-Infektion) beim Menschen insofern auf die Schliche, indem man durch Ultrafiltration beweisen konnte, dass es sich um winzige Partikel handeln muss. Bakterien würden sozusagen im Filter hängenbleiben, die  sehr viel kleineren Viren hingegen nicht. So wusste man immerhin schon einmal, dass es sich um Viren handeln muss. 1973/74 beobachtete erstmals die australische Forscherin Ruth Bishop am Royal Children's Hospital in Melbourne bei einer Direktuntersuchung mittels Elektronenmikroskop die für Rotaviren typischen Radspeichenstrukturen.
(Quellen: Medizinische Mikrobiologie und Infektiologie. Hahn, Falke, Kaufmann, Ullmann, Springer Verlag 2004; New England Journal of Medicine 1973; 289)

Rotaviren gehören zur Familie der so genannten Reo-Viren. Reo steht dabei für respiratory enteric orphan, also Viren, die verschiedene Krankheitsbilder verursachen – sowohl Atemwegserkrankungen als auch Magen-Darm-Infektionen. Innerhalb dieser Virusfamilie stellen Rotaviren den Erreger dar, der in der Humanmedizin eine große Rolle spielt. Denn Rotaviren sind Erreger von schweren Durchfallerkrankungen vor allem bei Säuglingen und Kleinkindern.

Rotaviren sind winzig klein, gerade mal 76 nm (1 nm [Nanometer] sind 1/1.000 Millimeter!), sie weisen eine charakteristische Radspeichenstruktur auf (lat. Rota = Rad). Zu sehen sind sie nur mit Hilfe des Elektronenmikroskops. Die Erbsubstanz liegt als RNA (Ribonukleinsäure) vor, aufgeteilt auf 11 einzelne Segmente. Sieben verschiedene Gruppen – mit den Buchstaben A bis G bezeichnet – sind bekannt, wobei B und C beim Menschen vorkommen. Die anderen sind im Tierreich weit verbreitet.

Die am häufigsten beim Menschen vorkommenden Viren gehören zur Gruppe A, auch Gruppe-B-Rotaviren wurden zum Beispiel bei Epidemien in China isoliert. Die einzelnen Gruppen lassen sich wiederum in Subgruppen unterteilen, diese wiederum in Serotypen . Diese genaue Unterscheidung ist auch bei der Entwicklung der modernen Schluckimpfstoffe maßgeblich gewesen, denn für den Aufbau einer Immunität sind die G-Proteine (VP7) und P-Proteine (VP4) des Virus verantwortlich. Besonders 5 verschiedene Rotavirus-Typen sind für mehr als 98% der Infektionen in Europa verantwortlich.

Die Viren sind gegenüber Umwelteinflüssen sehr widerstandsfähig. Außerdem sind Rotaviren hochansteckend, denn bereits 10 bis 100 Partikel reichen für eine Infektion aus (zum Vergleich: 100.000 Salmonellen sind für eine Infektion notwendig). Akut erkrankte Kinder scheiden große Virusmengen mit dem Stuhlgang aus (109 bis 1011 Viren pro Gramm Stuhl).

Verbreitung

Rotaviren sind weltweit verbreitet, meist erkranken Kinder unter fünf Jahren, am häufigsten die ganz Kleinen von sechs Monaten an bis hin zu den Zweijährigen. Weltweit – so Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) – verursachen Rotaviren jährlich mehr als 138 Millionen Fälle einer infektiösen Darmerkrankung. Bei etwa 25 Millionen dieser Fälle ist ein Arztbesuch notwendig, und 2 Millionen der betroffenen Kinder müssen stationär aufgenommen und behandelt werden. Es gibt verschiedene Schätzungen, nach denen weltweit 440.000 bis mehr als 600.000 Erkrankungen pro Jahr tödlich verlaufen. Kinder in nicht industrialisierten Staaten in Afrika, Lateinamerika und Asien sind besonders gefährdet.

Wiederholte Infektionen sind gar nicht selten, denn es gibt auch unter den Rotaviren unterschiedliche Typen. Zudem ändert sich die Verbreitung der verschiedenen Virustypen in einzelnen Ländern, das wird auch in Europa beobachtet. Allerdings lässt sich nicht vorhersehen, wann welcher Rotavirustyp in einer bestimmten Region auftreten wird.

Eine durch Rotaviren hervorgerufene Erkrankung muss gemäß Infektionsschutzgesetz gemeldet werden. So werden dem Robert Koch-Institut (RKI) jährlich zwischen 38.000 und  67.000 Krankheitsfälle bekannt. 2004 und 2005 sind insgesamt zehn Kinder nachweislich an einer Rotavirus-Infektion gestorben, so die Daten des RKI.

Aber längst nicht alle Fälle werden gemeldet. Gerade wenn der Krankheitsverlauf milder ist, wird vom Arzt oftmals keine Erregerdiagnostik angeordnet. Da die Kinder natürlich auch bei einem leichteren Verlauf ansteckend sind, können sie den Erreger leicht weitergeben. So erklärt sich, dass nach neuen Datenerhebungen auf nationaler und internationaler Ebene deutlich höhere Fallzahlen gefunden wurden. Demnach treten in Europa jährlich mehr als vier Millionen Erkrankungen auf. Erschreckend ist auch, dass über 100.000 der betroffenen Kinder sehr schwer erkranken und deshalb in einer Klinik behandelt werden müssen. Wenn man die Zahlen von Deutschland herausnimmt, ergibt sich folgendes Bild: Etwa 256.000 Kinder unter fünf Jahren erkranken durch Rotaviren, dabei eins von 54 Kindern so schwer, dass eine Krankenhauseinweisung notwendig wird.

Die Übertragung

Die Übertragung der Rotaviren findet praktisch nur von Mensch zu Mensch durch Schmierinfektion über direkten Körperkontakt oder über verunreinigte Gegenstände statt. In der akuten Phase mit Erbrechen ist eventuell auch eine Tröpfcheninfektion möglich. Die Inkubationszeit beträgt ein bis drei Tage.

Eine deutliche jahreszeitliche Häufung während der Wintermonate wird in Ländern der gemäßigten Klimazone, also auch hierzulande, beobachtet. Immungesunde Infizierte scheiden das Virus über höchstens zwei Wochen aus, Frühgeborene, Immunsupprimierte und Kinder mit onkologischen (Krebs-) Erkrankungen jedoch mehrere Wochen bis Monate. Das Virus bleibt in biologischem Material (Stuhl) mehrere Tage infektionstüchtig, ebenfalls in verunreinigtem Wasser oder auf glatten, harten Oberflächen (z. B. Spielzeug).

Rotaviren sind auch in Kinderkliniken „allgegenwärtig“. Das bedeutet, dass sich Kinder, die dort wegen einer anderen Erkrankung in Behandlung sind, möglicherweise mit den Erregern infizieren können. Schätzungen sprechen von 1,56 Erkrankungen pro 1.000 Krankenhaustage der Kinder bis 4 Jahre. Gefürchtet sind Rotaviren insbesondere auf Neugeborenen-Stationen.

Im Erwachsenenalter treten Rotaviruserkrankungen weniger häufig auf. Erst bei nachlassender Immunität im Alter erlangen sie wieder eine größere Bedeutung.

Das Krankheitsbild

Rotaviren vermehren sich in den Zotten (Ausstülpungen) des Dünndarms. Ein bestimmtes Viruseiweiß wirkt giftig auf die Darmzellen, die absterben. Der Darm reagiert mit einer raschen, aber überschießenden Neubildung der Schleimhaut, und die neuen Zellen setzen viel Wasser frei. Dadurch kann der Darm jedoch seine Funktion nicht ausreichend erfüllen, und in der Folge treten schwere, wässrige  Durchfälle auf, oft bis zu 20 Episoden pro Tag. Diese sind häufig verbunden mit starken Bauchschmerzen, hinzu kommen Erbrechen und Fieber.

Zwei bis sechs Tage hält die akute Phase an. Gefährlich sind Rotavirus-Erkrankungen in erster Linie deshalb, weil der Wasser- und Salzverlust enorm ist. Oft gelingt es nicht, dem kranken Kind genügende Mengen einer speziellen Elektrolylösungen per Löffel oder Fläschchen einzuflößen (orale Rehydratation). Dann droht Lebensgefahr, und eine Einweisung in die Kinderklinik ist unumgänglich. Verläufe mit tödlichem Ausgang sind hierzulande relativ selten, nach Schätzungen stirbt jeden Tag ein Kind in der Europäischen Union an Rotavirus-Erkrankungen. Dem Robert Koch-Institut in Berlin wurden 2004 und 2005 insgesamt zehn Todesfälle gemeldet.

Eine Rotavirus-Erkrankung verläuft bei Säuglingen und Kleinkindern durchschnittlich schwerer als Durchfallerkrankungen durch andere Erreger. Die Symptome halten meist zwei bis sechs Tage an. Besonders in den ersten beiden Lebensjahren sieht man häufig schwere Verläufe mit hohem Wasserverlust und Fieberkrämpfen, ein Klinikaufenthalt ist für die Kleinen dann unabwendbar: Der Kreislauf muss stabilisiert werden und Wasser- und Elektrolythaushalt ausgeglichen. Es bleibt also allein die symptomatische Therapie, zum Beispiel mit Infusionen, um Schädigungen abzuwenden, mit den Viren muss der Körper alleine fertig werden.

Impfstoffe gegen Rotaviren und Impfschemata

Einen sicheren Schutz gegen die bei Kindern häufigsten Durchfallerreger, die Rotaviren, bietet die Rotavirus- Impfung. Es handelt sich um Schluckimpfstoffe; daher ist kein zusätzlicher Piks für die Babys notwendig.

In Europa treten überwiegend 5 verschiedene Rotaviren auf, die für mehr als 98 Prozent der Infektionen verantwortlich sind. Dagegen schützt die neue Impfung. In mehreren Ländern wurden in groß angelegten Studien mit etwa 140.000 Kindern die Sicherheit und die hohe Wirksamkeit der Impfung belegt.
Babys können diese Impfung schon ab der vollendeten sechsten Lebenswoche bekommen und sind dann nach dem letzten „Schluck“ sicher geschützt. Bis zur 24. bzw. 32. Lebenswoche muss die Impfung - je nach verwendetem Impfstoff - abgeschlossen sein. Denn Kinder im Alter zwischen 6 Monaten und 24 Monaten haben das höchste Risiko für einen schweren Verlauf der Erkrankung und sollten deshalb vorher geschützt werden.

Die Schluckimpfstoffe gegen Rotaviren ahmen den natürlichen Infektionsweg über den Magen-Darm-Trakt nach. Mit dem entscheidenden Unterschied, dass die Viren stark abgeschwächt sind. Sie „informieren“ das kindliche Immunsystem zwar auf dieselbe Weise, ohne aber die krankmachende Eigenschaften ihrer „wilden Vorfahren“ zu besitzen. Der Schluckimpfstoff baut also genau dort einen Schutzschild auf, wo Rotaviren Unheil anrichten, nämlich im Darm. Die sehr hohen Erkrankungs- und Komplikationszahlen sowie Krankenhausaufenthalte können mit Einführung der Rotavirusimpfung in Deutschland drastisch sinken. Denn der Impfstoff bietet eine Schutzrate von 98 Prozent, was schwere Verläufe angeht, und 96 von 100 Geimpften bleibt ein belastender Klinikaufenthalt erspart.

Die Schluckimpfstoffe sind sehr gut verträglich. In den Studien konnte gezeigt werden, dass die geimpften Kinder im Vergleich zu denen, die keinen Impfstoff bekommen haben (so genannte Placebogruppe), nicht häufiger Appetitverlust, Durchfall, Erbrechen oder Fieber hatten oder „quengelig“ waren. Das heißt, der Impfstoff ist sehr sicher in der Anwendung, starke Impfreaktionen sind nicht zu erwarten. Von Vorteil ist außerdem, dass die Schluckimpfung problemlos parallel mit anderen Kinderimpfstoffen gegeben werden kann. So werden auch keine zusätzlichen Impftermine notwendig.

Diagnostik, Behandlung und Vorbeugung

Diagnostik
Ein direkter Erregernachweis erfolgt mittels so genanntem Enzym-Immuntest (EIA) aus dem Stuhl der Patienten. Es gibt auch Schnelltests, die innerhalb einer Viertelstunde ein Ergebnis liefern. Mittels einer speziellen molekularbiologischen Methode (PCR = Polymerase-Kettenreaktion) ist eine genaue Untersuchung des Rotavirustyps möglich; dieses vergleichsweise aufwendige Verfahren wird aber nur bei bestimmten Fragestellungen angewendet, zum Beispiel um damit Infektketten aufzuspüren.

Behandlung
Grundsätzlich sollte bei Durchfallerkrankungen im Säuglings- und Kleinkindalter immer der Arzt zu Rate gezogen werden, da Kinder durch den hohen Flüssigkeitsverlust gefährdet sind, insbesondere bei anhaltenden Beschwerden und schweren Verlaufsformen. Auch sollten dem Kind Medikamente auf keinen Fall „auf eigene Faust“ gegeben werden – sie schaden oft mehr als sie nutzen!

Wie bei den meisten Viruskrankheiten existiert auch gegen Rotaviren keine medikamentöse Therapie, die die Virusvermehrung aufhalten könnte. Da der Flüssigkeits- und Salzverlust sehr hoch ist, versucht man zunächst, diese Stoffe zu ergänzen. Das erfolgt in mühsamer Kleinarbeit löffelweise oder mit Fläschchen am besten mittels spezieller Elektrolytlösungen (orale Rehydratation). Manchmal werden auch Präparate verordnet, die Lactobazillen enthalten, diese können sich günstig auf den Verlauf auswirken (Lactobazillen kommen natürlicherweise im Darm vor, werden aber bei Infektionen mit anderen Erregern „verdrängt“).

Ein Klinikaufenthalt ist für ein Baby und natürlich auch die Eltern sehr belastend. Dennoch ist bei schweren Verläufen die Kinderklinik die letzte Rettung, denn dort kann der hohe Verlust an Wasser und Salzen mittels Infusionen ausgeglichen werden. Und die Kinder, die auch Fieberkrämpfe entwickeln können, sind ständig in ärztlicher Obhut. Manchmal werden erkrankten Neugeborenen auch Antikörperpräparate gegeben.

Allgemeine Vorbeugung und Hygiene:

Rotaviren sind trotz Hygienemaßnahmen nur bedingt in den Griff zu bekommen, dennoch sollten alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden: In Kliniken isoliert man die erkrankten Kinder, sie werden von separatem Personal gepflegt. Mit aufgenommene Eltern müssen sich von fremden Kindern strikt fernhalten. Ein strenges Befolgen der Hygienevorschriften ist notwendig, dazu gehört das Tragen von Handschuhen und Schutzkitteln beim Windeln, zusätzliche Reinigung der Toiletten, intensivierte Händehygiene und die häufige Desinfektion mit ausdrücklich bei Rotaviren geeigneten Mitteln.