Die Essstörung der Mutter: eine Gefahr für das Baby

Wird in der gynäkologischen Praxis eine Schwangerschaft diagnostiziert, beginnen engmaschige Kontrollen, auch des Gewichts. Zehn Mal oder noch öfter steigt die Schwangere auf die Waage. Das ist wichtig, denn die Gewichtsentwicklung der Mutter beeinflusst die Entwicklung des Kindes, das sie austrägt.

Die meisten Schwangeren nehmen die Vorsorgetermine wahr und freuen sich, auch an der Waage ablesen zu können, wie das Kind wächst. Es gibt jedoch Ausnahmen: Frauen mit Essstörungen entziehen sich gerne dieser Kontrolle.

Essstörungen sind psychische Störungen, die sich meist früh im gebärfähigen Lebensalter einer Frau manifestieren. Ihre Ursachen und ihre Entstehung sind komplex, oft liegen der Störung mehrere kritische Lebensereignisse zu Grunde.

E i n e Ursache bei jungen Frauen kann dabei sein, dass sich mit Beginn der Pubertät auch die neuen Körperformen ausprägen. Sie gehen einher mit der Einlagerung von Fettgewebe, die körperliche Voraussetzung für eine mögliche Schwangerschaft. Fettdepots kommen aber im Schönheitsideal junger Frauen nicht vor. Es baut sich eine Körperschemastörung auf: Sie finden sich zu üppig, zu dick. Ihr Körper weicht für sie in inakzeptabler Weise vom Schlankheits- und Schönheitsideal ab. Willentlich oder zwanghaft hungern sie dagegen an, oder sie erbrechen, was sie essen, sie missbrauchen Laxantien oder sie entwickeln sporadische Fressattacken. Dabei ist die Krankheitseinsicht auch nach Jahren meist gering, die Störung auch innerhalb der Familie oder Partnerschaft ein Tabu.

Die häufigsten Essstörungen sind Magersucht (Anorexia nervosa, AN), Ess-Brechsucht (Bulimia nervosa, BN) und die Fresssucht (Binge eating disorder, BED). Auch die Fettsucht (Adipositas) kann eine Essstörung sein. Mitunter mündet sie sogar in eine der anderen genannten Essstörungen: Es kommt nicht selten vor, dass Frauen, die in der Kindheit fettleibig waren und ein negatives Selbstbild haben, mit der Pubertät eine ins Gegenteil gewendete Essstörung entwickeln.

Bei Frauen mit einer Essstörung, die zu Untergewicht führt, bleiben Eisprung und Regelblutung häufig (Oligomenorrhoe) oder ständig aus (Amenorrhoe). Ein Jahr ohne Periode ist keine Seltenheit. Der parallel oft anämische Organismus kann sich keine Schwangerschaft „leisten“. Oft ist die Essstörung und das damit verbundene geschwächte Ego mit einer geschwächten Libido verbunden. Sexuelles Verlangen und Verhalten ist gedanklich an einen „dicken“, schwangeren Bauch und volle Brüste gekoppelt und findet bei magersüchtigen Frauen deshalb nach Möglichkeit nicht statt. Frauen mit Bulimie sind eher sexuell aktiv, ziehen sich aber zeitweise vom Partner zurück.

Und wenn sich eine Frau mit Essstörung ein Kind wünscht?

Ab einem BMI von 19 wird voraussichtlich die Regelblutung wieder eintreten, und die Fruchtbarkeit ist auch wieder hergestellt. Bei Kinderwunsch ist es aber ratsam, nicht nur den eigenen Ernährungszustand zu verbessern, sondern auch mit psychologischer Hilfe die Essstörung und die ursächlich damit verbundenen psychischen Probleme frühzeitig zu therapieren - Monate oder besser Jahre vor Eintritt der Schwangerschaft. Mental gesund und körperlich gestärkt sind die Voraussetzungen für das Baby im Bauch besser, gesund, mit normalem Geburtsgewicht und normaler Länge in ein intaktes Umfeld geboren zu werden.

Wird eine Frau mit untherapierter Essstörung schwanger, haben die begleitenden Fachkräfte zum Beispiel über den protokollierten Gewichtsverlauf (bzw. seine Ablehnung) und über Aussagen zu Körper, Aussehen und Essverhalten Gelegenheit, auf die Störung aufmerksam zu werden, und können die Schwangere dann noch in eine Therapie münden lassen.

Die größten Schwierigkeiten haben Mutter und Kind bei aktiv anorektischen Schwangeren, die auch Abführmittel missbrauchen.

Risiken, die sich aus der weiterbestehenden Essstörung ergeben, sind

  • Fehlgeburt,
  • massives Schwangerschaftserbrechen (Hyperemesis gravidarum),
  • retardiertes Kindeswachstum / niedriges Geburtsgewicht
  • eine problematische Entbindungssituation und
  • eine postpartale Depression der Mutter.
  • Außerdem wird die spätere Entwicklung einer psychischen Störung auch beim Kind wahrscheinlich.

Diese Risiken sind deutlich geringer, wenn Psyche und Körper vor Eintritt der Schwangerschaft von der Essstörung erholt sind.

Zwar verlaufen die Mehrzahl der Schwangerschaften auch bei Frauen mit Essstörungen normal. Aber das Risiko, dass die genannten Symptome und Probleme entstehen, ist groß.

Ein Glück: Auch Frauen mit Essstörungen können eine innige Beziehung zu ihrem Kind aufbauen. Das Stillen fällt ihnen aber wesentlich schwerer als gesunden jungen Müttern. Das gesamte Thema Nähren ist oft noch negativ behaftet, wenn das Baby im Krabbelalter ist.

Den ausführlichen Beitrag zum Thema des Monats lesen Sie in unserem Pressendienst 'Deutsche Gesundheits Korrespondenz' (dgk) 5 - 2006.