Polio-Impfung als Reiseimpfung
Wichtiges in Kürze
Poliomyelitis ist noch nicht weltweit ausgerottet. Ein Infektionsrisiko besteht in Ländern, in denen das Wild-Poliovirus Typ 1 (WPV 1) zirkuliert oder einer der drei mutierten Impfvirusstämme (circulating vaccine-derived poliovirus [cVDPV] Typ 1, 2 und 3). WPV 2 gilt seit 1999 und WPV 3 seit 2019 als ausgerottet.
Solange die weltweite Poliomyelitis-Eradikation nicht erreicht ist, bleibt das Risiko der internationalen Poliovirus-Verschleppung bestehen.
Im Jahr 2024 wurden Erkrankungen durch Polio-Wildviren nur aus Afghanistan (25 Fälle; 2023: 6 Fälle) und Pakistan (74 Fälle; 2023: 6 Fälle) gemeldet. Zusätzlich wurden jedoch zahlreiche Fälle durch Vakzine-Typen cVDPV verursacht: 278 Fälle von akuten schlaffen Paresen (Acute Flaccid Paralysis, AFP) durch den Vakzine-Typen cVDPV2 aus 18 Ländern (2023: 395 Fälle aus 23 Ländern), 11 durch cVDPV1 verursachte AFP-Fälle (2023: 134 Fälle aus drei Ländern) und 4 durch cVDPV3 ausgelöste AFP-Fälle (2023: weltweit keine Fälle) gemeldet.
Die WHO gibt regelmäßig temporäre Empfehlungen heraus (publiziert auf den Seiten des Auswärtigen Amtes oder der DTG, s. Literatur), die zum Ziel haben, die nationale und internationale Verbreitung von Polioviren zu verhindern. Sie unterscheidet dabei drei Kategorien, für die es auch unterschiedliche Impfempfehlungen gibt, abhängig auch von der Reisedauer. Diese Impfung wird im Internationalen Impfpass in der Rubrik „International certificate of vaccination or prophylaxis“ eingetragen.
Kategorie 1
Staaten, in denen WPV1, cVDPV1 oder cVDPV3 zirkuliert und von denen ein potentielles Risiko für eine internationale Ausbreitung ausgeht:
Die WHO hat die Länder der Kategorie 1 aufgefordert sicherzustellen („ensure“), dass alle Einwohner und Langzeitreisenden (länger als 4 Wochen), die aus dem Land ausreisen, 4 Wochen bis 12 Monate vor Ausreise mit einer Dosis bivalentem, oralem Impfstoff bOPV oder intramuskulärem Impfstoff IPV (trivalent) gegen Polio geimpft werden (CAVE: In Deutschland ist nur IPV zugelassen). Die Länder der Kategorie 1 können auf der Grundlage der o.g. WHO-Aufforderung eine Ausreise aus ihrem Land ohne gültigen Impfnachweis verweigern, bzw. am Flughafen bei der Ausreise (pflicht-)impfen.
Kategorie 2
- Staaten, mit lokaler Übertragung von cVDPV2 und mit Risiko der internationalen Verbreitung:
Die WHO hat diese Staaten aufgefordert, alle Einwohner und Langzeitreisende länger als 4 Wochen, die eine internationale Reise antreten, zu ermutigen („encourage“), sich 4 Wochen bis 12 Monate vor Ausreise mit einer Dosis gegen Poliomyelitis impfen zu lassen (intramuskulärer Impfstoff IPV). Steht eine dringende Reise an und es wurde nicht in den vergangenen 4 Wochen bis 12 Monaten gegen Polio geimpft, sollten Einwohner und Langzeitreisenden länger als 4 Wochen ermutigt werden mindestens zum Abreisezeitpunkt eine Impfung zu erhalten - Staaten, die einen cVDPV2-Import hatten, aber keinen Nachweis einer lokalen Übertragung:
Die WHO hat diese Staaten aufgefordert, die Verhinderung von Poliomyelitis-Übertragung als nationalen Gesundheitsnotfall zu betrachten und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Deutschland, Spanien, Polen, Finnland und der Vereinigtes Königreich werden von der WHO (Stand April 2025) aufgrund von cVDPV2 Nachweisen im Abwasser in dieser Kategorie aufgeführt. Aktuell werden für diese Länder keine über die nationale Impfempfehlung hinausreichende Auffrischimpfungen empfohlen.
Kategorie 3
Staaten, in denen WPV1 oder cVDPV nicht mehr zirkulieren, die aber anfällig (vulnerabel) für ein Wiederauftreten sind Die WHO hat Länder dieser Kategorie aufgefordert, ihre Bevölkerung routinemäßig zu impfen.
Polio-Impfempfehlungen der STIKO
Darstellung der geografischen Verbreitung des Polio-Wildtyp-Virus 1 (WPV1) und der zirkulierenden Impfstoffabgeleiteten Polioviren (cVDPV) nach Impfkategorien
* Nachweis von cVDPV2 im Abwasser ohne bisheriges Auftreten klinischer Fälle. Derzeit werden keine über die aktuellen nationalen Impfempfehlungen hinausgehenden Auffrischimpfungen empfohlen (Deutschland findet sich nicht in der Ländertabelle, kartographische Kennzeichnung aufgrund der Abwasserbefunde) Erläuterung: Im Gegensatz zur üblichen Darstellung nach Virustyp fasst diese Karte Ländergruppen derselben Impfkategorie zusammen. Somit fallen sowohl die Länder mit WPV1-Vorkommen als auch die Länder mit cVDPV1 und cVDPV3 in die Impf-Kategorie 1. Bitte beachten: Diese Einteilung wird ca. alle 3 Monate von der WHO aktualisiert (www.who.int/groups/poliovirus-ihr-emergency-committee). Die STIKO bemüht sich um zeitnahe Aktualisierung in der Online-Ausgabe. Quelle: Robert Koch-Institut, modifiziert nach WHO, 2025
Impfraten in Deutschland
Um eine Erkrankung zu eradizieren, werden bei Polio Impfquoten von mindestens 95 % benötigt. Die Impfquote mit 3 Polio-Impfstoffdosen im Alter von 15 Monaten betrug im untersuchten Geburtsjahrgang 2021 aber nur ca. 57 %. Ein vollständiger Polioimpfschutz im Alter von 24 Monaten besteht bundesweit im gleichen untersuchten Geburtsjahrgang bei 77 %. Eine Reise ist also auch immer ein guter Anlass, den Impfstatus bei den Standardimpfungen zu überprüfen.
Wer gilt in Deutschland als vollständig immunisiert?
Als vollständig immunisiert gelten Personen, die eine komplette Grundimmunisierung und eine 1-malige Auffrischimpfung erhalten haben. Fehlende Impfstoffdosen sollen mit IPV nachgeholt werden.
Erstellt: 13.05.2025
Quellen:
- Epidemiologisches Bulletin 14/2025: Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) und der Deutschen Gesellschaft für Tropenmedizin, Reisemedizin und Globale Gesundheit e. V. (DTG) zu Reiseimpfungen
- Deutsche Gesellschaft für Tropenmedizin, Reisemedizin und Globale Gesundheit e.V.: https://www.dtg.org/empfehlungen-und-leitlinien/empfehlungen/impfungen/impfrisiko-aufklaerung/uebersicht-der-reiseimpfungen/252-poliomyelitis.html
- Auswärtiges Amt zur Polio-Impfung https://www.auswaertiges-amt.de/de/reiseundsicherheit/reise-gesundheit/2517492-2517492, Stand 14.04.2025