Impfaufklärung in der Praxis

von Dr. med. Sigrid Ley-Köllstadt

In den STIKO-Empfehlungen 2016/2017 sowie 2017/2018 hat die Ständige Impfkommission (STIKO) das Kapitel Auf­klär­ungs­pflicht vor Schutzimpfungen jeweils deutlich erweitert und übersichtlicher gestaltet. Hier eine Zusammenstellung der wichtigsten Inhalte.

Zur Impfaufklärung gehört nicht nur die Information über unerwünschte Arznei­mittelwirkungen (UAW), sondern auch über die folgenden Punkte:

  • die zu verhütende Krankheit und deren Behandlungsmöglichkeiten,
  • den Nutzen der Impfung,
  • die Kontraindikationen,  
  • die Durchführung der Impfung,
  • den Beginn und die Dauer des Impfschutzes,
  • das Verhalten nach der Impfung,
  • mögliche unerwünschte Arzneimittelwirkungen und Impfkomplikationen,
  • die Notwendigkeit und die Termine von Folge- und Auffrischimpfungen.

Aufgeklärt wird entweder der Patient selbst oder sein gesetzlicher Vertreter, dessen Zustimmung bei Impfungen von Kindern und Jugendlichen erforderlich ist. Eine Impfaufklärung muss auch dann erfolgen, wenn die Impfung vom Bundesland öffentlich empfohlen ist. Durch das Patientenrechtegesetz, das 2013 in Kraft trat, ist die Bedeutung der mündlichen Beratung noch einmal betont worden. Eine alleinige schriftliche Aufklärung ist nicht zulässig, es muss immer ein Gespräch mit dem Arzt zur Beantwortung offener Fragen angeboten werden. Auch darauf weist die STIKO in ihren aktuellen Empfehlungen hin. Außerdem muss dem Patienten nun von allen Dokumenten, die er unterzeichnet, eine Kopie oder ein Durchschlag mitgegeben werden.

Im Jahr 2000 hat der Bundesgerichtshof (BGH) ein Urteil zur Impfaufklärung gesprochen, das immer noch Gültigkeit hat und für die Umsetzung der Impfaufklärung in der täglichen Praxis eine wichtige Hilfe ist.

Hier die wichtigsten Punkte:

  • Eine Routine-Impfung erfolgt i. A. nicht unerwartet, den Betroffenen muss deshalb üblicherweise keine Bedenkzeit eingeräumt werden.
  • Bei Routinemaßnahmen wie einer Impfung genügt die Einwilligung eines Elternteils. Der Arzt kann in der Regel darauf vertrauen, dass der andere Elternteil ebenfalls zustimmt. Wenn die Eltern unterschiedlicher Meinung sind, z. B. bei getrenntlebenden Eltern, so kann das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils die Entscheidung einem Elternteil übertragen.
  • Bei der 2. Impfung mit dem gleichen Impfstoff im Rahmen einer Grundimmunisierung ist keine weitere detaillierte Aufklärung erforderlich.
  • Zur Aufklärung gehört auch die Beschreibung der Erkrankung, die durch die Impfung verhindert wird. Auf unnötige Dramatisierung soll verzichtet werden.
  • Es muss über alle spezifischen Risiken der Impfung aufgeklärt werden, dabei kommt es nicht darauf an, ob die möglichen Risiken der Impfung häufig oder selten auftreten (klassisches Beispiel sind die seltenen Lähmungen nach der früher üblichen Schluckimpfung gegen Kinderlähmung, die – wenn auch extrem selten – so doch typisch waren. Daher musste darüber aufgeklärt werden).
  • Es muss keine exakte medizinische Beschreibung der verschiedenen Risiken erfolgen. Wichtig ist, dass die Symptome im Großen und Ganzen beschrieben werden.
  • Die aktuellen Empfehlungen der STIKO sind medizinischer Standard.

Es stand in dem oben zitierten BGH-Urteil auch zur Debatte, ob eine schriftliche Aufklärung möglich ist. Hierzu sagte das Gericht:

  • Merkblätter sind üblich und haben für den Arzt den Vorteil der späteren Beweisbarkeit.
  • Die alleinige Aufklärung durch ein Merkblatt ist nicht ausreichend. Es muss immer Gelegenheit zu einem Gespräch angeboten werden. Die Zustimmung zur Impfung kann auch mündlich erfolgen.

Um allen Punkten zu genügen, hat sich das folgende Vorgehen bewährt:

  • Der Patient erhält ein Aufklärungsmerkblatt für die Impfung, die gegeben werden soll, und ca. 20 Minuten Zeit, dies im Wartezimmer durchzulesen.
  • Danach fragt die Ärztin/der Arzt, ob das Merkblatt verstanden wurde und ob es noch Fragen zur Impfung gibt.
  • Hat der Patient keine Fragen mehr und stimmt der Impfung zu, wird die Impfung durchgeführt.
  • Die Aufklärung sollte unbedingt dokumentiert werden, es reicht z. B. ein Kürzel in der Akte „aufgeklärt nach Standard“. Wie der Standard aussieht, sollte schriftlich festgelegt werden und allen in der Praxis bekannt sein.
  • Die Zustimmung zur Impfung kann mündlich oder schriftlich erfolgen.
  • Wird eine Einverständniserklärung unterschrieben, dann erhält der Patient entsprechend dem Patientenrechtegesetz einen Durchschlag bzw. Kopie des unterzeichneten Dokuments.
  • Es kann laut STIKO sinnvoll sein, die Ablehnung einer Impfung nach durchgeführter Aufklärung in der Patientenakte zu dokumentieren!

Impf-Service-Praxismappe für Patienten

Speziell für die ärztliche Praxis gibt es beim Deutschen Grünen Kreuz e. V. die Impf-Service-Praxismappe für Patienten zum Auslegen im Wartebereich.

Sie bietet ausführliche Informationen über alle Standard-, Indikations- und Reiseimpfungen sowie über Impfungen vor und während der Schwangerschaft. Außerdem beinhaltet der Ordner sämtliche Impfaufklärungsbögen. Damit wird die Impfberatung und -aufklärung einfacher und effizienter. Regelmäßige Updates (mindestens 2x jährlich) sorgen dafür, dass die Informationen stets aktuell sind. Die Praxismappe kann online über unseren Shop bestellt werden.

Quellen:

  1. Epi. Bulletin Nr. 34/2017: Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut – 2017/2018
  2. Impfaufklärung in der Praxis, 4. Auflage 2018, Deutsches Grünes Kreuz e. V., Marburg