Impfschutz für Reisende mit Immundefizienz

Patientinnen und Patienten jeden Alters mit primärer oder sekundärer Immundefizienz benötigen nicht weniger, sondern mehr Impfschutz, denn gerade sie haben oft ein größeres Infektionsrisiko, und es besteht eine erhöhte Gefährdung durch impfpräventable Erkrankungen und deren Komplikationen. Dies gilt es auch bei der Reisevorbereitung zu beachten. Hier sind z. T. auch abweichende Impfschemata zu berücksichtigen wie bei der Hepatitis-A -oder der Tollwut-Impfung.
Untersuchungen zeigen aber ausgerechnet bei Menschen mit Störungen des Immunsystems deutlich zu niedrige Impfraten, obwohl eine Impfung möglich und auch wirksam wäre. STIKO und DTG gehen in ihrer Publikation (Epid. Bulletin 14 /2025) auch auf Reisende ein, die unter einer Immundefizienz leiden und geben Empfehlungen (S. 25 ff. 3.4 Reisende mit Grunderkrankungen), z. B.
- Wechselwirkungen bestehender Medikation mit dem indizierten Impfstoff prüfen
- Impfzeitpunkt optimieren: vor Beginn einer immunsuppressiven Therapie
- Indikationsimpfungen gemäß STIKO durchführen
- Kurzimpfschemata (z. B. bei Hepatitis B, Japanischer Enzephalitis oder der FSME-Impfung) bei Immundefizienz (z. B. unter immunsuppressiver Medikation) nicht anwenden
- Serologische Bestimmung der Impfantikörper bei erhöhtem Risiko für eine Erkrankung und zu vermutender eingeschränkter Impfantwort erwägen.
Totimpfstoffe sollten im Allgemeinen spätestens 2 Wochen, Lebendimpfstoffe spätestens 4 Wochen vor Therapiebeginn gegeben werden.
Lebendimpfstoffe enthalten attenuierte, sich replizierende Impfkeime, die bei Immundefizienz eine potentiell lebensbedrohliche Infektion hervorrufen können. Sie sind daher bei Erkrankungen, die mit einer Immundefizienz einhergehen, oder unter schwerer immunsuppressiver Therapie prinzipiell kontraindiziert.
Totimpfstoffe können auch bei Vorliegen einer chronischen (immunsupprimierenden) Erkrankung und/oder unter immunsuppressiver Therapie jederzeit gegeben werden, allerdings kann die Immunantwort eingeschränkt sein und/oder die Dauer der Schutzwir-kung kürzer anhalten.
Hinweise zur Verabreichung von Lebendimpfstoffen in der Reisemedizin beziehen sich vor allem auf die Gelbfieber- und die Dengue-Impfung, da für die Typhus-Impfung ein parenteraler und für die Cholera-Impfung ein enteraler Totimpfstoff zur Verfügung steht.
Gelbfieber
Es ist ratsam, PatientInnen vor Einleitung einer immunsuppressiven Therapie oder jedweder Transplantation nach geplanten Reisen in Gelbfieber-Endemiegebiete zu fragen, insbesondere, wenn sie aus Endemiegebieten stammen und möglicherweise wieder in ihr Heimatland reisen möchten. Gegebenenfalls kann mit einem Mindestabstand von 4 Wochen vor Einleitung einer immunsuppressiven Therapie oder Durchführung einer Organtransplantation bei Fehlen weiterer Kontraindikationen die Gelbfieberimpfung verabreicht werden; der Abstand zur autologen Stammzelltransplantation sollte mindestens 3 Monate betragen.In einer systematischen Übersichtsarbeit mit Meta-Analyse zur Sicherheit der Gelbfieber-Impfung bei Personen mit Immundefizienz konnte nicht bestätigt werden, dass immungeschwächte Personen ein höheres Risiko für unerwünschte Ereignisse nach Gabe des Gelbfieber-Impfstoffs hatten. Eine Subgruppenanalyse zeigte hierbei die Unabhängigkeit von der Ätiologie der Immundefizienz.
Bei Vorliegen eines primären Immundefektes ist die Gelbfieber-Impfung (Lebendimpfstoff) in aller Regel kontraindiziert.
Dengue-Fieber
Die Dengue-Impfung ist bei Personen mit angeborener oder erworbener Immundefizienz grundsätzlich kontraindiziert.
Hepatitis A
Bei PatientInnen mit Immundefizienz weicht das Impfschema vom üblichen 2-Dosen-Schema für monovalente Hepatitis-A-Impfstoffe ab: Bei der 1. Impfdosis der Grundimmunisierung wird eine zusätzliche Dosis vor Abreise empfohlen. Die 2 Impfstoffdosen können sowohl am gleichen Tag als auch im Abstand von 1 Monat gegeben werden. In beiden Fällen wird zur Vervollständigung der Grundimmunisierung eine
3. Impfstoffdosis im Mindestabstand von 6 Monaten verabreicht.
Meningokokken
Besteht eine Indikation für eine Meningokokkenimpfung gegen die Serotypen A, C, W, Y wird empfohlen, eine 2. Impfstoffdosis im Abstand von 4 bis 8 Wochen zur
1. Dosis zu verabreichen.Eine Auffrischimpfung bei erneuter Exposition sollte nach 5 bis 10 Jahren durchgeführt werden. Personen mit Immundefizienz und entsprechendem Risiko sollten – reiseunabhängig – gemäß der STIKO-Empfehlungen gegen den Serotyp B geimpft sein.
Tollwut
Im Falle einer erhöhten Exposition gegenüber Tollwutviren(z. B. bei Arbeit in einem Tierreservat) kann nach Abschluss der Tollwutimpfserie eine Bestimmung der Antikörper im Serumneutralisationstest (SNT) sinnvoll sein. Diese sollte 14 Tage nach Gabe der letzten Impfstoffdosis erfolgen.
Weiterhin ist zu beachten, dass bei relevanter Immundefizienz im Falle einer Exposition Grad II oder III gegenüber Tollwutviren die Postexpositionsprophylaxe (PEP) immer aus 5 Impfstoffdosen besteht (Impfungen gemäß dem konventionellen Essen-Schema an Tag 0, 3, 7, 14 und 28), auch wenn präexpositionell eine Impfserie durchgeführt wurde und gemäß Impfstatus noch ein Schutz bestehen sollte. Je nach Verfügbarkeit sollte bei Immundefizienz simultan ab Exposition Grad II die Gabe von Tollwutimmun-Immunglobulinen (passive Immunisierung) erfolgen. Diese kann bis zu 7 Tage nach Beginn der Immunisierung mit Tollwutimpfstoff nachgeholt werden. Nach Möglichkeit sollte eine serologische Kontrolle des Impferfolgs einer PEP 2 (bis 4) Wochen nach Beginn der Immunisierung erfolgen.
Erstellt am 20.06.2025
Quellen und weiterführende Literatur:
- Epidemiologisches Bulletin 14/2025: Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) und der Deutschen Gesellschaft für Tropenmedizin, Reisemedizin und Globale Gesundheit e. V. (DTG) zu Reiseimpfungen
- Handbuch der Impfpraxis, 3. Auflage 2023, Knuf M, Arndt U, Impfung bei Immundefizienz, Deutsches Grünes Kreuz e. V., Verlag DGK Beratung + Vertrieb GmbH
- STIKO-Hinweise zum Impfen bei Immundefizienz https://www.rki.de/DE/Themen/Infektionskrankheiten/Impfen/Staendige-Impfkommission/Immundefizienz/immundefizienz-node.html