Lieferengpässe

Was tun bei Lieferengpässen von Impfstoffen?

Juni 2016

Derzeit sind 13 Impfstoffe in Deutschland in keiner Packungsgröße lieferbar, weitere drei Impfstoffe sind in zumindest einer Packungsgröße nicht lieferbar. Diese Zahlen können sich schnell ändern. Einige könnten bald wieder geliefert werden, bei anderen wird das voraussichtlich bis 2017 dauern. Umgekehrt können neue Impfstoffe in der Liste auftauchen, weil beispielsweise nach dem Alternativprodukt eines nicht lieferbaren Impfstoffs plötzlich eine erhöhte Nachfrage entsteht. Das alles ist nichts Neues: Bei biologischen Produkten wie Impfstoffen kommt es immer wieder zu Lieferengpäss

Immer im Bild: Das PEI informiert über aktuelle Liefereng­pässe

Auf die wiederkehrenden Probleme hat das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) reagiert: Seit Oktober 2015 informiert es auf seinen Internetseiten über aktuelle Lieferengpässe von Human-Impfstoffen. Ein Lieferengpass wird durch ein pharmazeutisches Unter­nehmen gemeldet, sobald die Lieferkette für die Auslieferung eines Impfstoffes von Seiten des Herstellers für einen Zeitraum von mindestens zwei Wochen unterbrochen ist.

Bei Apotheken nachfragen lohnt sich

Ist ein Impfstoff gelistet, heißt das allerdings nicht automatisch, dass er gar nicht mehr verfügbar ist. „Es bedeutet zunächst, dass der Zulassungsinhaber seine Lagerbestände ausgeliefert hat und vor weiterer Auslieferung neu produzieren muss“, erklärt Dr. Susanne Stöcker, Pressesprecherin vom Paul-Ehrlich-Institut. „Häufig sind zu diesem Zeitpunkt aber noch Impfstoffdosen im Markt – beim Großhandel und den Apotheken oder auch direkt schon bei den Ärzten.“ Allerdings gäbe es dabei immer wieder regionale Unterschiede. Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt daher bei Engpässen, die Verfügbarkeit eines Impfstoffes in mehreren Lieferapotheken abzufragen, da diese oft von verschiedenen Großlieferanten versorgt werden.

Liste gibt Auskunft über Alternativen

Laut PEI sind momentan für alle gelisteten Impfstoffe Alternativimpfstoffe verfügbar. „Verfügbar sind alternative Impfoptionen, was nicht zwingend bedeutet, dass ein identischer Alternativ-Impfstoff zur Verfügung steht“, schränkt Stöcker ein. In der Übersichtsliste des PEI findet sich in der rechten Spalte immer der Hinweis auf entweder den konkreten Alternativ Impfstoff (also mit identischer Antigenzusammen­setzung) oder aber eine Handlungsempfehlung der Ständigen Impfkommission. „Diese kann auch beinhalten, dass beispielsweise bei Nicht-Verfügbarkeit eines Fünffach Impfstoffs zur Grundimmunisierung empfohlen wird, stattdessen mit einem Sechsfach Impfstoff zu impfen“, erklärt die Pressesprecherin.Ganz aktuell gibt es auf den Internetseiten des PEI, verlinkt bei den Impfstoffen Hexyon und Infanrix Hexa (auch in der Lieferengpassliste) einen Hinweis zu möglichen Engpässen bei Sechsfach-Impfstoffen. Danach werden bis voraussichtlich Ende Juli die zur Grundimmunisierung von Kindern eingesetzten Sechsfach-Kombinationsimpfstoffe Infanrix hexa des Herstellers GlaxoSmithKline und Hexyon des Herstellers Sanofi Pasteur MSD nicht im üblichen Umfang bzw. der üblichen Verpackung zur Verfügung stehen. In dieser Zeit sind Fertigspritzen des Impfstoffes Hexyon legal im Handel, die zwar eine deutsche Packungsbeilage enthalten, deren Spritzen oder Umverpackungen aber französisch oder italienisch beschriftet sind. Genauere Informationen dazu finden Sie hier.

Größere Impfabstände als geplant sind kein Problem

Sollte es durch die Lieferengpässe zu großen Impfabständen innerhalb einer Serie kommen, so ist das laut STIKO kein Problem. Da jede Impfung zählt, können unterbrochene Impfserien zu einem späteren Zeitpunkt komplettierte werden, wenn der Impfstoff wieder erhältlich ist. Für verschobene Impfungen empfiehlt die STIKO Ärzten ein Recall-System, dass die Patienten an neue Impftermine erinnert, sobald der Impfstoff wieder da is

Wann sind die entsprechenden Impfstoffe wieder verfügbar?

Die Tabelle des PEI gibt auch Auskunft darüber, wann Impfstoffe voraussichtlich wieder verfügbar sind. Stöcker: “Es ist nicht in jedem Fall möglich, die Wiederverfügbarkeit mit absoluter Zuverlässigkeit anzugeben, denn dafür ist der Herstellungsvorgang zu komplex.“ In den meisten Fällen träfen die Angaben zu, aber es käme immer wieder vor, dass sie korrigiert werden müssten.

Bei Knappheit gezielt nach Prioritäten impfen

Wie kann das Praxispersonal ganz allgemein vorgehen, wenn benötigte Impfstoffe zwar vorhanden sind, aber nicht in ausreichender Menge? Die STIKO äußert sich dazu: Bei einer Impfstoffknappheit solle geprüft werden, ob im Praxisalltag eine Priorisierung möglich ist. Vorrang für eine Impfung haben Personen, die bisher sicher nicht geimpft sind. Das heißt: Eine notwendige Grundimmunisierung hat Vorrang vor Auffrischungen. Bei Auffrisch-Impfungen wiederum haben Vorschulkinder Vorrang vor Jugendlichen und Jugendliche vor Erwachsenen. Ausführliche Informationen der STIKO zum grundsätzlichen Vorgehen und zur möglichen Priorisierung bei eingeschränkter Verfügbarkeit von Impfstoffen finden Sie hier.

Wie kommt es zu Lieferengpässen?

Ist ein Impfstoff nicht verfügbar, kann das für Arzt und Patient ärgerlich sein. Wieso kommt es immer wieder dazu? Die Gründe dafür sind vielschichtig. Hauptgrund ist jedoch der enorme Aufwand, den es bedeutet, einen Impfstoff überhaupt herzustellen. Allein der Aufbau der dafür benötigten technischen Anlagen dauert Jahre. Selbst wenn die Anlage dann läuft, kann bei vermehrtem Bedarf nicht einfach zeitnah mehr produziert werden. Impfstoffe sind biologische Produkte. Bei der Anzucht und Vermehrung der benötigten lebenden Organismen ist viel Erfahrung notwendig. Die Organismen und Zellkulturen können auf minimale Änderungen des Herstellungs­prozesses sensibel reagieren, so dass der Impfstoff unbrauchbar wird. Jede fertige Impfstoff-Charge wird zudem vom Paul-Ehrlich-Institut geprüft, bevor sie von der Zulassungsbehörde freigegeben wird. Wenn sie nicht den strengen Ansprüchen genügt, muss sie vernichtet werden. All dies führt dazu, dass der Weg zum fertigen Produkt lang ist: Die Herstellung eines modernen Kombinationsimpfstoffs dauert in der Regel ein bis zwei Jahre. Das erklärt, warum es – gerade bei schwankender Nachfrage – immer wieder es zu Lieferengpässen kommt.

Quellen:

1. Stellungnahme der Ständigen Impfkommission Handlungsempfehlungen bei Nicht-Verfügbarkeit von Tdap bzw. IPV-haltigen Impfstoffen; Epidemiologisches Bulletin vom 11. April 2016 / Nr. 14, DOI 10.17886/EpiBull-2016-021
2. Paul-Ehrlich-Institut: Lieferengpässe von Human-Impfstoffen gegen Infektionskrankheiten www.pei.de/lieferengpaesse-impfstoffe-human 
3. www.pei.de/DE/arzneimittel/impfstoff-impfstoffe-fuer-den-menschen/lieferengpaesse/moegliche-engpaesse-sechsfach-kombinationsimpfstoffe-inhalt.html  
4. Lieferengpässe - Das Impfstoff-Dilemma; Ärzte Zeitung online vom 14.04.2016; www.aerztezeitung.de/medizin/krankheiten/infektionskrankheiten/impfen/article/909082/lieferengpaesse-impfstoff-dilemma.html